Darum kippte die SVP beim Stromgesetz ins Nein

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«Hinterrücks ausgeschaltet»Brisante Verknüpfung: Darum kippte die SVP beim Stromgesetz ins Nein

Der Mantelerlass hat einen kleinen Bruder: den sogenannten Beschleunigungserlass. Die beiden Gesetze sind gemäss SVP «auf Gedeih und Verderb» verknüpft. Das werde die Volksrechte «hinterrücks ausschalten», sagt SVP-Präsident Marcel Dettling.

Darum gehts

  • Genehmigungsverfahren für neue Solar- und Windkraftwerke sollen gestrafft werden. Das will der sogenannte «Beschleunigungserlass».

  • Die SVP befürchtet, dass wegen einer Formulierung künftig die Kantone ohne Einverständnis der betroffenen Gemeinden Kraftwerke bauen könnten.

  • Magdalena Martullo-Blocher hat das realisiert und deshalb auf ein Nein zum Stromgesetz hingearbeitet.

  • Die Theorie von rechts stimme nicht, hält die Präsidentin der Grünen dagegen.

Wenn die Schweiz am 9. Juni über das Stromgesetz abstimmt, ist dessen Fortsetzung voraussichtlich bereits in der Diskussion im Ständerat. Gemeint ist der sogenannte «Beschleunigungserlass», der heute Donnerstag in der zuständigen Kommission des Ständerates beraten wird. Der Nationalrat hat bereits zugestimmt.

Dessen Ziel: die Genehmigungsverfahren für neue Solar- und Windkraftwerke – aber auch neue Stromleitungen – zu straffen und es so möglich zu machen, dass das Ausbauziel des Stromgesetzes überhaupt erreicht werden kann.

Gelingen soll das, indem alle Verfahrensschritte, die es vor Baubeginn gibt, zu einem einzigen Verfahren zusammengenommen werden. Gegen dieses Verfahren kann auch nur einmal gerichtlich geklagt werden. Und: Das Gericht muss eine Entscheidung innert 180 Tagen fällen. Zum Vergleich: Weil heute gegen praktisch jeden Schritt vor Gericht gezogen werden kann, dauert es meist 20 Jahre oder mehr bis zum Baubeginn eines Windparks. Die Kosten für die Verfahren sind zudem immens.

Gemeinde-Volksrechte würden «hinterrücks» ausgeschaltet

Doch wie sich nun zeigt, sorgt sich die SVP dabei um die Rechte der betroffenen Lokalbevölkerung. So schreibt die Partei in ihrem Argumentarium gegen den Mantelerlass, dass der Standortkanton allein den Bau von Anlagen bewilligen könne. Der Kanton könne in seiner Gesetzgebung zwar festlegen, dass die Zustimmung der betroffenen Gemeinden eine Voraussetzung sei, das sei aber kein Muss.

SVP-Präsident Marcel Dettling kommt darum auf Anfrage von 20 Minuten zum Schluss: «Auch deshalb haben die Vorlagen einen direkten Zusammenhang. Die lokale Stimmbevölkerung wird hinterrücks einfach ausgeschaltet.» Doch die Volksrechte auf allen Staatsebenen gehörten zur Demokratie und müssten unbedingt gewahrt werden, meint er weiter. «Letztlich werden die Rechte der Anwohner ausgehebelt für teuren Strom aus Wind und Solar, welcher nur produziert wird, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht», sagt Dettling.

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Wie Recherchen zeigen, soll Magdalena Martullo-Blocher diesen Zusammenhang als eine der ersten in der Partei realisiert haben. Danach hat sie dem Vernehmen nach den Parteivorstand überzeugt, die Nein-Parole schon zum Mantelerlass zu beschliessen, obwohl die SVP im Parlament noch mehrheitlich dafür war.

SVP ist «inkonsequent und opportunistisch»

Über die Verknüpfung der beiden Gesetze durch die SVP kann die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone nur den Kopf schütteln. «Auch im Beschleunigungserlass bleiben die Mitspracherechte der Gemeinden erhalten.» Die Kantone würden selbstständig regeln, wie die Gemeinden Einfluss nähmen, das beinhalte auch, «ob der Gemeinderat oder die Gemeindeversammlung das letzte Wort hat».

Zudem sei die SVP «inkonsequent und opportunistisch». Schliesslich sei es genau die SVP, die sich seit Jahren darüber beschwert habe, dass Stromprojekte zu lange dauerten und wegen Einsprachen über lange Zeit blockiert seien. Die Partei kämpfe ausserdem erneut gegen den eigenen Bundesrat: «Der Beschleunigungserlass ist ein Projekt mit Albert Röstis Handschrift.»

Ob die ständerätliche Umweltkommission sich nach ihren Beratungen vom Donnerstag wirklich schon zum Beschleunigungserlass äussert, ist gemäss Insidern unklar. Sie könnte den Entscheid auch verschieben, um den Erfolg des Stromgesetzes nicht zu gefährden. Denn der Mantelerlass hat derzeit eine komfortable Zustimmung von 65 Prozent der Bevölkerung, wie die jüngste Umfrage von 20 Minuten und Tamedia zeigt.

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