Menschenrechtsaktivist Mohamed Wa Baile wird als Antisemit kritisiert

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Mo Wa BaileVorkämpfer gegen Diskriminierung hetzt gegen Juden

Mohamed Wa Baile wehrte sich gegen Diskriminierung, was zu einer aufsehenerregenden Verurteilung der Schweiz führte. Ausgerechnet er fällt jetzt mit Nazi-Vergleichen und Gewaltaufrufen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg auf.

Darum gehts

  • Mohamed Wa Baile, bekannt für seinen Kampf gegen Diskriminierung, fällt mit Facebook-Posts auf.

  • Darin äussert er Sympathien für Hamas, Houthi und Hezbollah und und zieht einen Nazi-Vergleich.

  • Seine Aussagen lösten innerhalb der «Allianz gegen Racial Profiling» Debatten über Antisemitismus aus, die seine Kommentare als nicht vertretbar ansahen.

  • Auch der Historiker Erik Petry kritisiert die Vergleiche zwischen Israel und Nazis als antisemitisch und potenziell gewaltfördernd.

  • Wa Baile hingegen verteidigt seine Äusserungen als Ausdruck des Kampfes für palästinensische Freiheit.

Mohamed Wa Baile hat jahrelang gegen Diskriminierung gekämpft. Am 5. Februar 2015 wurde er am Hauptbahnhof Zürich von Polizisten kontrolliert. Er weigerte sich, sich auszuweisen und wurde zu einer Busse von 100 Franken verurteilt. Dagegen wehrte er sich durch alle Gerichtsinstanzen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

In einem aufsehenerregenden Urteil erhielt Wa Baile recht: Der EGMR verurteilte die Schweiz im Februar dieses Jahres wegen Diskriminierung. Aus dem Fall entstand die «Allianz gegen Racial Profiling». Medien weltweit berichteten. Wa Baile wurde als Vorkämpfer gegen Diskriminierung gefeiert. Die «Wochenzeitung» titelte: Mo Wa Baile: «No Longer A Victim» (nicht länger ein Opfer, die Red.).

«Ich bin Hamas. Ich bin Hezbollah»

Jetzt fällt Wa Baile, der Islamwissenschaften und «Peace Studies» studiert hat, erneut auf. Nicht als Opfer. Auf Facebook postet «Gedichte», wie er sie nennt. Da steht etwa: «Ich bin Hamas. Ich bin Houthi. Ich bin Hezbollah.» Oder: «Die Juden von den Nazis zu befreien – Tausende von Deutschen getötet – das war richtig – mach jetzt das Richtige – um die Palästinenser von den Zionisten zu befreien».

Mohamed Wa Baile fällt auf Facebook mit Nazi-Vergleichen auf.

Mohamed Wa Baile fällt auf Facebook mit Nazi-Vergleichen auf.

Screenshot Facebook

Für diese Aussagen wird Wa Baile jetzt aus den eigenen Reihen kritisiert: «Die Allianz gegen Racial Profiling setzt sich für effektive Massnahmen gegen strukturellen Rassismus und jede Form von Diskriminierung ein. Die Posts entsprechen nicht der Position der Allianz», sagt Tarek Naguib, Mitglied der Koordinationsgruppe. Der ausgebildete Jurist ist Mitgründer der Plattform und seit über 20 Jahren in der Menschenrechtsarbeit aktiv. «Wir nehmen diese zum Anlass, uns intern vertieft mit Antisemitismus auseinanderzusetzen. Denn unser wichtiges und erfolgreiches Engagement für die Menschenrechte bedingt, dass auch wir uns selbstkritisch mit unseren eigenen Ismen auseinandersetzen und solidarisch mit allen diskriminierten Gruppen sind.»

«Kein expliziter Aufruf, Juden zu töten – aber nicht weit entfernt»

Erik Petry ist Historiker und stellvertretender Leiter des Zentrums für Jüdische Studien der Universität Basel. Er sagt: «Vergleiche zwischen dem Handeln Israels oder der Juden und den Nazis sind ein absolutes No-Go. Sie sind nicht nur gemäss Definition antisemitisch, sondern entbehren auch jeglicher Grundlage.»

Der Post mit dem Nazi-Vergleich stellt laut Petry in der Konsequenz einen Gewaltaufruf dar: «Er enthält keinen expliziten Aufruf, Juden zu töten. Doch davon ist er nicht weit entfernt, in Gedanken setzt man beim Lesen das Posting genau so fort.»

Historiker Erik Petry versteht den Nazi-Vergleich-Post als impliziten Aufruf zur Gewalt.

Historiker Erik Petry versteht den Nazi-Vergleich-Post als impliziten Aufruf zur Gewalt.

Florian Baertschiger

«Kritik an Israel ist absolut legitim»

Dass Wa Baile solche Aussagen tätigt, erstaunt Petry vor dessen Hintergrund: «In einem solchen Studium lernt man doch genau, zu differenzieren. Seinen Aussagen fehlt jegliche Empathie und jegliches Verständnis dafür, dass Jüdinnen und Juden sich bedroht fühlen.» Auch Hintergrundwissen zum Konflikt und seinen Akteuren fehlt laut Petry oft. «Stattdessen kommen dann solche Vergleiche, was der Diskussion und Lösungsfindung leider überhaupt nicht zuträglich ist.»

Petry stellt klar: «Kritik an Israels Politik oder Netanjahus Regierung ist absolut legitim. Da braucht man bloss einmal in die israelischen Zeitungen und Newsportale zu schauen. Dort hagelt es Kritik an Netanjahu. Doch wird in dieser Kritik nicht die Existenz des Staates an sich infrage gestellt.»

«Ich gehöre nicht zu einer terroristischen Gruppe»

Wa Baile selber beantwortet die Frage, ob sein Engagement und seine Aussagen einen Widerspruch enthalten, nicht. Zum Hamas-Terror sagt er: «Es ist traurig, dass seit am 7. Oktober über 1000 jüdische Menschen und über 30’000 palästinensische Menschen getötet wurden. Jedes Leben zählt, arabisch wie jüdisch. Ich distanziere mich aber weder von der Hamas noch vom Apartheidregime, denn ich gehöre weder zu einer terroristischen Gruppe noch zu einem terroristischen Staat.»

Seinen Hamas-Hisbollah-Post erklärt er so: «Damit meine ich, dass diese Gruppen existieren und dass es in diesen Gruppen Menschen gibt, die mit den Palästinenserinnen und Palästinensnern in ihrem Streben nach Freiheit sympathisieren.»

«Diese Gruppen existieren und in diesen Gruppen gibt es Menschen, die mit den Palästinenserinnen und Palästinensern in ihrem Streben nach Freiheit sympathisieren.» So erklärt Wa Baile seinen Facebook-Post.

«Diese Gruppen existieren und in diesen Gruppen gibt es Menschen, die mit den Palästinenserinnen und Palästinensern in ihrem Streben nach Freiheit sympathisieren.» So erklärt Wa Baile seinen Facebook-Post.

Screenshot Facebook

«Die Juden haben viel gelitten. Auch wegen des Schweigens»

Zum Nazi-Vergleich sagt er: «Es gibt Menschen, die sich darüber empören, dass sich eine weitere traurige Geschichte eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit wiederholt und dass jetzt die Palästinenserinnen die Opfer in Gaza sind.» Wa Baile sieht sich nicht als Antisemiten. Die Juden hätten viel gelitten wegen des Antisemitismus in Europa. «Aber auch wegen des Schweigens. Das darf nie wieder geschehen.»

Dass es für Europäer aufgrund des historischen Unrechts an den Juden schwer sei, den «Apartheidstaat Israel» zu kritisieren, sei verständlich. «In meinen Gedichten gibt es Stimmen, die viele andere Seelen widerhallen lassen, die ebenfalls menschlich sind und die Unterdrückung der Palästinenserinnen und Palästinenser beklagen.»

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