Das steckt hinter dem «Älteste-Tochter-Syndrom»

Bist du die erstgeborene Tochter, kann es gut sein, dass du unter dem «Älteste-Tochter-Syndrom» leidest.

Bist du die erstgeborene Tochter, kann es gut sein, dass du unter dem «Älteste-Tochter-Syndrom» leidest.

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Häufiges SyndromBist du die älteste Tochter, leidest du vielleicht darunter

Bist du die erstgeborene Tochter und fühlst dich stets für alle und alles verantwortlich? Dann leidest du möglicherweise unter dem «Älteste-Tochter-Syndrom».

Michelle de Oliveira
von

Fast nichts ist so kompliziert wie das Familienleben: Frühkindliche Prägungen, Glaubenssätze und unterschiedliche Erwartungen bergen eine Menge Konfliktpotenzial. Und nicht zuletzt soll auch die Reihenfolge, in der man geboren wird, eine Rolle spielen: So gelten Erstgeborene häufig als schlauer und zuverlässiger, während die jüngsten Kinder oft als charmant aber auch manipulativ beschrieben werden. Und viele reden vom «Älteste-Tochter-Syndrom». Doch was steckt dahinter?

Keine medizinische Diagnose

So viel vorab: Das Älteste-Tochter-Syndrom ist keine medizinische Diagnose, sondern viel mehr ein populär-psychologischer Begriff, der ein psychologisches Phänomen beschreibt. Und zwar gewisse Verhaltensweisen und Erwartungen, die angeblich auf diese Rolle zurückzuführen sind.

So gelten grosse Schwestern als sehr unabhängig, ehrgeizig, organisiert und perfektionistisch. Das kann laut Fachpersonen daran liegen, dass sie oft unter einer grossen Verantwortung leiden. Denn oft wird von ihnen erwartet, dass sie für ihre jüngeren Geschwister ein Vorbild sind – und sich auch um sie kümmern. Aber nicht nur um sie, sondern um das Wohlergehen der ganzen Familie, so die Theorie.

Älteste Töchter kümmern sich häufig schon früh im ihre Geschwister – und nicht selten auch um ihre Eltern.

Älteste Töchter kümmern sich häufig schon früh im ihre Geschwister – und nicht selten auch um ihre Eltern.

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Die britische Psychotherapeutin Paris Capleton erklärt gegenüber «Business Insider», dass die Betroffenen wie ein zweiter oder dritter Elternteil statt wie ein Kind behandelt würden. Sie müssten oft emotionale oder häusliche Arbeiten übernehmen, die normalerweise von den Eltern erledigt werden.

Auf Tiktok gibt es unter dem Hashtag #eldestdaughter – älteste Tochter – unzählige Videos zum Thema. So etwa von der Tiktokerin Hillary Star: Das Video zeigt eine erschöpfte Frau mit dem Text: «Du bist die älteste Tochter und hast gerade einen Streit zwischen deiner Schwester, deiner Mutter und deinem Vater geschlichtet.»

Oder die Therapeutin Katie Morton, die ebenfalls auf Tiktok acht Zeichen definiert, welche zeigen sollen, dass du unter dem Syndrom leidest. Das können laut Morton zum Beispiel ein intensives Gefühl der Verantwortlichkeit sein, der Hang zu Sorgen und sogar Angstzuständen, oder aber wenn dir Beziehungen als erwachsene Person Mühe machen.

Eine Studie der University of California in Los Angeles hat herausgefunden, dass erstgeborene Töchter in bestimmten Fällen tatsächlich dazu neigen, früher erwachsen zu werden, sodass sie bei der Erziehung jüngerer Geschwister helfen können.

Hast du Geschwister und kennst das Syndrom?

Es gibt aber auch andere Stimmen: «Erstgeborene sind nicht zuverlässiger und Letztgeborene sind nicht entspannter», sagt die Persönlichkeitspsychologin Julia Rohrer gegenüber dem «Zeit Magazin». Sie hat zusammen mit anderen Forschenden umfangreiche Daten ausgewertet.

Ob jemand als erstes Kind aufgewachsen ist, als Nesthäkchen oder als Sandwichkind, wirkt sich laut der Expertin nicht darauf aus, wie pflichtbewusst oder kompromissbereit man später wird. Der einzige Unterschied, der festgestellt wurde: Erstgeborene erreichen bei IQ-Tests tatsächlich einige Punkte mehr – und sind damit etwas schlauer als ihre jüngeren Geschwister.

Erstgeborene zuverlässiger und Letztgeborene entspannter? Ob die Reihenfolge wirklich so eine grosse Rolle spielt, ist umstritten.

Erstgeborene zuverlässiger und Letztgeborene entspannter? Ob die Reihenfolge wirklich so eine grosse Rolle spielt, ist umstritten.

Pexels/Allan Mas

Trotzdem sieht die Forscherin auch ein Stück Wahrheit im Älteste-Tochter-Syndrom. Sie sagt, es könne durchaus sein, dass Familien ihre ältesten Töchter unbewusst dazu drängten, Verantwortung für Geschwister zu übernehmen und dazu, schon früh Vertraute für ihre Eltern zu sein – auch wenn es gar nicht zu deren Charakter passe.

Wie siehst du deine Rolle in der Familie? Erzähle uns in den Kommentaren davon.

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