Künstliche Intelligenz versetzt Social Media in Aufruhr

Aktualisiert

Neue TechnologienSo rasant revolutioniert künstliche Intelligenz gerade unseren Alltag

Neue künstliche Intelligenzen versetzen Social Media in Aufruhr – und lösen Zukunftsängste aus. Sie kreieren Avatare, schreiben Masterarbeiten und Bewerbungen, geben Liebestipps – und lernen ständig dazu.

Darum gehts

  • Auf Social Media drehen die Leute gerade wegen verschiedener neuer KI-Apps durch. 

  • Ein Chatbot macht den Leuten Angst um ihre berufliche Zukunft, weil er vieles kann, was Lehrer, Reiseberaterinnen, IT-Spezialisten oder gar Psychiaterinnen beruflich oft verwenden. 

  • Auch Experten sagen: Künstliche Intelligenz ist nach dem Internet und Smartphones die nächste technologische Revolution, die unseren Alltag auf den Kopf stellen wird. 

Ob auf Tiktok, Instagram oder Twitter – Social Media kennt gerade nur ein Thema: künstliche Intelligenz (KI). Verantwortlich dafür sind neue Apps und Programme, die künstliche Intelligenz auf ein Level heben, wie viele es noch nie erlebt haben.

So generiert die App Lensa anhand von wenigen Selfies Dutzende Avatar-Bilder in verschiedenen Stilen und hat damit einen enormen Internet-Hype ausgelöst. Die Bilder sind nicht nur teils äusserst realistisch, sie machen gewöhnliche Menschen auch attraktiver – als Superheldinnen oder Comic-Figuren.

Tatsächlich revolutionär ist aber der Chatbot GPT3. Er schreibt wahlweise Bewerbungsschreiben oder Business-Pläne, löst Rechenaufgaben, gibt Tipps fürs Liebesleben oder liefert Kochrezepte – alles in Sekundenschnelle. Der Bot beantwortet alle Fragen und kann stundenlang argumentieren. Dabei merkt er sich sämtliche Eingaben und lernt ständig dazu. Sozialwissenschaftliche Essays auf Masterstufe, die der Bot schreibt, können Professoren nicht mehr von denen ihrer Studierenden unterscheiden.

Diese neuen Technologien faszinieren die User und Userinnen, lösen aber auch Zukunftsängste aus. Ob Marketing-Experten, Reiseplanerinnen, Lehrer, IT-Spezialisten oder selbst Psychiaterinnen: Sie alle haben die neue KI ausprobiert und berichten auf Tiktok fassungslos darüber, was die KI alles kann. Und alle sind überzeugt: Das wird ihren Job entweder für immer verändern oder gänzlich überflüssig machen.

«Künstliche Intelligenzen entwickeln sich rasant»

Marc Pouly, Co-Leiter der Forschungsgruppe Künstliche Intelligenz an der Hochschule Luzern, forscht seit Jahren an künstlicher Intelligenz. Auch er sagt: «Schon heute kommen wir täglich dutzendfach mit KI in Berührung. Aber dass mich die Leistung der neuen GPT3-Modelle derart beeindruckt, hätte ich mir vor einem halben Jahr nicht ausgemalt.»

Den Fortschritt erklärt er so: «Jeder künstlichen Intelligenz liegen Daten zugrunde. Weil seit der Erfindung von Smartphones die Menge an Daten, die wir jeden Tag produzieren und irgendwo speichern, exponentiell wächst, entwickeln sich auch die Möglichkeiten der KI rasant.»

So funktionieren KIs

Jede KI zeichnet aus, dass sie lernfähig ist. «Es sind Systeme, die Inputs aufnehmen und einen für den Nutzer relevanten Output generieren», erklärt Christoph Heitz, der an der ZHAW dazu forscht. Grundlage dafür sind grosse Datenmengen: «Eine KI studiert so viele Beispiele wie möglich, etwa Situationen, in der jemand eine bestimmte Entscheidung getroffen hat und analysiert, ob das gut herausgekommen ist oder nicht. In diesen Daten sucht sie nach Mustern, die zu einem guten Ergebnis geführt haben und nutzt diese für künftige Entscheidungen.» Die Programme entwickeln laut Heitz also gewissermassen ein Gespür für gute Entscheidungen.

Für Pouly ist deshalb klar: «Nach dem Internet und Smartphones sind KI-Systeme die nächste technologische Revolution. Sie werden unseren Alltag prägen wie keine andere Technologie derzeit.»

«Künstliche Intelligenz beeinflusst unsere Lebenswirklichkeit»

Auch Christoph Heitz, der an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften zu KI forscht, sagt: «Weil jetzt in vielen Bereichen genügend Daten zur Verfügung stehen, kommen solche Systeme quasi im Stundentakt auf den Markt und beeinflussen unsere Lebenswirklichkeit.» Heitz nennt ein paar Beispiele: «Versicherungen lassen KIs das individuelle Risiko ihrer Kundinnen und Kunden beurteilen. KIs analysieren Krankheitsbilder und dienen zur Frühprävention. Fitnesstracker analysieren unsere Trainingsdaten, um bessere Trainingspläne zu erstellen.»

«Die grossen Probleme der Menschheit können wir nur mit Hilfe von künstlicher Intelligenz lösen.»

Marc Pouly, Co-Leiter der Forschungsgruppe Künstliche Intelligenz an der Hochschule Luzern

Die zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten sind laut den Forschern sozusagen unbegrenzt. «Überall dort, wo Daten zur Verfügung stehen, kann uns die KI Entscheidungen empfehlen», sagt Heitz. Wenn die KI weiss, was ich eingekauft und gegessen habe, kann sie mir sagen, was ich einkaufen soll. Sie kann mir Hotels, Kleider und andere Produkte empfehlen. Auch die Suche nach einer neuen Stelle oder einem Partner oder einer Partnerin kann KI revolutionieren – und tut es teils bereits.

«KI wird Entscheide treffen, die für Menschen nicht möglich wären»

Das ist aber längst nicht alles: «Füttert man nun eine KI mit den Erfahrungen und Entscheidungen aus einer Million Menschenleben, wird sie Entscheide treffen können, die für Menschen so nicht möglich wären, weil sie nie die Zeit und Kapazität haben werden, all diese Erfahrungen in einen Entscheid einfliessen zu lassen», sagt Heitz. Pouly geht gar noch einen Schritt weiter: «Ich bin überzeugt, dass wir die wirklich grossen Probleme wie den Welthunger oder die Klimakrise nur mit Hilfe von KI lösen können.»

Hast du schon einmal mit einem Chatbot gesprochen? 

Die einzige, grosse Beschränkung ist laut Heitz, dass KI immer nur aus der Vergangenheit lernen kann. Eine KI reproduziert damit also gewissermassen die Vergangenheit – auch mit allen negativen Folgen: «Wenn ich in der Vergangenheit Junk Food gegessen habe, wird mir eine KI den Kauf von weiterem Junk Food vorschlagen.»

Für die Forscher ist klar: «Wir steuern auf eine Welt zu, in der immer mehr Entscheidungen in allen Lebensbereichen von KIs gefällt werden – und das besser, als der Mensch es gekonnt hätte.» Heitz sagt aber auch: «Einfach aus Daten und historischen Mustern zu lernen, wird den Menschen nicht ersetzen können. Wirkliche, menschliche Intelligenz besteht darin, auch in Situationen, die es so noch nie gegeben hat, Abwägungen zu treffen und die richtigen Entscheidungen zu fällen.»

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