Bauernpreise: Schweizer Bauern fühlen sich von Abnehmern unterbezahlt

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Agrarexperte«Statt zu lamentieren, sollten Bauern Mehrausgaben verhindern»

Ein grosser Teil der Bauern findet, dass sie zu wenig vom Verkaufspreis ihrer Produkte bekommen, und fast ebenso viele sagen, dass die Preise, die sie erhalten, ihre Kosten nicht decken.

Darum gehts

  • Eine Befragung von «Faire Märkte Schweiz» zeigt, wie unzufrieden die Bauern mit ihren Marktbedingungen sind.

  • 81 Prozent der befragten Bauern berichten, dass sie zu wenig vom Verkaufspreis ihrer Produkte erhalten.

  • Ein Agrarexperte kann die Klage der Bauern nachvollziehen, meint aber, dass die Bauern sich auch selbst hinterfragen sollten.

Der Bio-Bauer Stefan Krähenbühl klagt über den Preisdruck von Migros und Coop. Mit seiner Meinung ist er nicht alleine. Eine Befragung von «Faire Märkte Schweiz» zeigt, dass die Mehrheit der Bauern, 81 Prozent, findet, dass sie zu wenig vom Verkaufspreis ihrer Produkte bekommen.

77 Prozent klagen darüber, dass Abnehmer ihre Preise diktieren und nicht kostendeckend seien. Über 65 Prozent fühlen sich den Bedingungen der Abnehmer schutzlos ausgeliefert, und etwa 38 Prozent sehen sich durch ihre Abhängigkeit von den Käufern grossen Risiken ausgesetzt.

«Forderungen der Käufer müssen sie jeweils einfach nachgeben»

Besonders auffällig seien die unfairen Wettbewerbsbedingungen, bei denen viele Bauern angeben, dass die grundlegenden Anforderungen für fairen Wettbewerb nicht erfüllt werden. Laut «Faire Märkte Schweiz»-Präsident Stefan Flückiger führe dies dazu, dass Bauern bei Preisverhandlungen kaum ein Wort mitzureden hätten: «Den Forderungen der Käufer müssen sie jeweils einfach nachgeben, was oft zu grossen Problemen in ihrem Betrieb führt.»

Die Meinung der Bauern über die Branchenorganisationen habe Experten überrascht. Obwohl viele Bauern mit logistischen Aspekten wie der Warenbereitstellung zufrieden seien, fühlen sich über zwei Drittel durch die Branchenorganisationen benachteiligt, da sie dort ihre Interessen kaum vertreten könnten: «Das zeigt, dass dringend Veränderungen in der Agrarpolitik und eine fairere Gestaltung der Marktbedingungen nötig sind», sagt Flückiger.

«Es besteht Handlungsbedarf»

Die Ergebnisse dieser vorläufig ersten Auswertung stammen von einzelnen Pilotgruppen mit insgesamt knapp 30 Teilnehmenden. Die meisten aus der Milchproduktion, weitere Befragte seien Eier- und Getreideproduzenten gewesen. «Mit dieser Erhebung können wir nun erstmals die wettbewerbsrechtliche Relevanz der Ergebnisse einschätzen und zeigen, dass Handlungsbedarf besteht», so Flückiger.

Das sagt ein Agrarexperte

Der Agrarexperte Patrick Dümmler von Avenir Suisse kann die Klage der Bauern beim Produzentenpreis nachvollziehen. Meint aber, dass die Bauern sich auch selbst hinterfragen sollten: «Statt nur über den fehlenden Ertrag zu lamentieren, sollten Bauern sich selbst fragen, wie man effizienter Mehrausgaben verhindern könnte.» Zudem profitierten sie oft von grosszügigen Krediten bei Investitionen wie dem Stallbau oder neuen Traktoren.

«Die Bauern fühlen sich unterbezahlt für ihre Produkte. Subventionen, sprich das Geld, das für die Landwirtschaft ausgegeben wird, kommt aber auch anderen Bereichen der Lebensmittelbranche zugute», meint der Agrarexperte. Aufgrund der seit dem Zweiten Weltkrieg bestehenden Agrarpolitik, die grosse Lebensmittelhändler und -verarbeiter begünstige, profitierten diese heute übermässig.

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Vorschläge zur Reform der Agrarpolitik

Um dieses Problem anzugehen, müsste die Schweiz nach Dümmler den strikten Grenzschutz lockern oder abschaffen, um den Import von landwirtschaftlichen Produkten zu erleichtern und dadurch mehr Wettbewerb zu ermöglichen. «Derzeit dient der Grenzschutz neben Direktzahlungen als eine wesentliche Stütze für die Schweizer Bauern, indem er deren Einkommen sichert.» Jedoch gäbe es andere, effektivere Massnahmen zur Unterstützung der Bauern, die auch der breiten Bevölkerung zugutekommen könnten.

«Aktuell zahlen die Konsumenten jährlich etwa drei Milliarden Franken zu viel für Lebensmittel und finanzieren zusätzlich etwa vier Milliarden Franken an Subventionen, die das gesamte Agrarsystem unterstützen, nicht nur die Bauern», so Dümmler. Dies führe laut dem Agrarexperten zu einer doppelten Belastung für die Steuerzahler.

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