Missbrauchen Migros und Coop bei Bio ihre Marktmacht?

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PreismonitorMissbrauchen Migros und Coop bei Bio ihre Marktmacht?

Im neuen Preismonitor stehen happige Vorwürfe gegen Migros und Coop. Die Detailisten wehren sich auf Anfrage.

Hohe Bio-Margen: Darum gehts

  • Aldi und Lidl verkaufen ihre Bioprodukte günstiger als Migros und Coop.

  • Bioprodukte seien bei Migros schweizweit und nicht nur punktuell verfügbar, heisst es auf Anfrage.

  • Auch Coop weist den Vorwurf des Machtmissbrauchs entschieden zurück.

Die Preisschere zwischen Bio- und Normalprodukten wird bei Migros und Coop nicht enger, im Gegenteil, sie weitet sich teils aus. So sei Bio wegen der hohen Preise nicht konkurrenzfähig, heisst es im Preismonitor des Vereins Faire Märkte Schweiz (FMS) und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), in dem neu auch Aldi und Lidl vorkommen.

Das zeigt der Preismonitor

FHNW und FMS untersuchen im Preismonitor, wie es um die Konkurrenzfähigkeit von Bio- und Nachhaltigkeitsprodukten gegenüber Standardprodukten steht, und wie stark die Produzenten und Produzentinnen am Endpreis beteiligt sind. Der Monitor umfasst unter anderem Milchprodukte, Fleisch, Eier, Kartoffeln und Mehl.

Bauern verdienen mit Nicht-Bioprodukten mehr

Laut Bericht gibt es folgende Faustregel: Von einem Franken, den die Konsumentinnen und Konsumenten für Bioprodukte ausgeben, erhalten die Bauern im Durchschnitt 33 Prozent. Bei günstigen Varianten von Standardprodukten liege dieser Anteil hingegen bei 41 Prozent.

Bei Bio- und Labelprodukten gebe es kaum Wettbewerb, heisst es im Bio-Preismonitor.

Bei Bio- und Labelprodukten gebe es kaum Wettbewerb, heisst es im Bio-Preismonitor.

Bio Suisse

Bei Aldi und Lidl kostet Bio weniger

Aldi und Lidl verkauften Bioprodukte günstiger als Migros und Coop. Die Preispolitik bei den beiden Grossen sei fragwürdig, sagt FMS-Präsident Stefan Flückiger im Interview (siehe unten). Die Bruttomarge ist zwar nicht bekannt, die Differenz zwischen Konsumenten- und Produzentenpreis liefert laut Preisindex aber Hinweise: Sie sei bei den untersuchten Bioprodukten im Discount rund 25 Prozent tiefer als bei Migros und Coop. «Die Discounter bringen die Nachhaltigkeit deutlich kostengünstiger an die Konsumentinnen und Konsumenten», heisst es im Bericht.

«Die Discounter bringen die Nachhaltigkeit deutlich kostengünstiger an die Konsumentinnen und Konsumenten», steht im Bio-Preismonitor.

«Die Discounter bringen die Nachhaltigkeit deutlich kostengünstiger an die Konsumentinnen und Konsumenten», steht im Bio-Preismonitor.

Bio Suisse

Zu viel Marktmacht für Migros und Coop?

Die Bäuerinnen und Bauern stünden beim Einkauf ihrer Rohprodukte unter Preisdruck, so seien die Produzentenpreise für Bioprodukte oft nur wenig höher als die Preise für konventionelle Produkte. Bei Bio- und Labelprodukten gebe es zudem kaum Wettbewerb, so sei es Coop und Migros möglich, höhere Preise durchzudrücken. Laut Preisindex kalkulieren die beiden mit deutlich höheren Bruttomargen als für Standardprodukte – «laut den berechneten Indikatoren sind diese rund doppelt so hoch».

Wo kaufst du hauptsächlich deine Bioprodukte?

Der Preismonitor liefere Indizien für unfaire Handelspraktiken: «Die teilweise grossen Preisdifferenzen lassen vermuten, dass dies mit der Ausnutzung der Marktmacht der beiden Grossverteiler Migros und Coop zu tun hat, die zusammen etwa 80 Prozent des Lebensmittelhandels in der Schweiz kontrollieren», heisst es im Bericht.

Missbrauch der Marktmacht? Migros und Coop weisen den Vorwurf zurück

«Die Preispositionierung im Supermarkt ist eine andere als im Discounter», sagt Migros. Man stelle so die schweizweite Verfügbarkeit sicher: Bio-Plätzli seien bei Discountern etwa nur punktuell verfügbar, das Bio-Weide-Rindsplätzli sei bei Migros aber im Standardsortiment und im ganzen Land erhältlich. So gebe es mehr heruntergesetzte Ware und Abschreibungen, um Verderb zu vermeiden. Rechne man den Aktionsanteil mit ein, sei der Durchschnittspreis des Produkts kaum höher als beim Discounter. Bei der Preispositionierung habe die Migros aber noch Verbesserungspotenzial, heisst es auf Anfrage.

«Den Vorwurf des Machtmissbrauchs weisen wir zurück», sagt Coop. Es herrsche ein harter Konkurrenzkampf und Preisdruck. Coop habe auch Mitbewerber im grenznahen Ausland, die Produkte günstiger beschaffen können. Mit Bio verdiene Coop nicht mehr als bei konventionellen Produkten. Man setze mit der Bio-Suisse-Knospe auf eine der weltweit strengsten Bio-Richtlinien und erfülle ihre Anbau- und Verarbeitungsrichtlinien. Das unterscheide Coop von anderen Anbietern. Pro Franken Umsatz bleibe ein Gewinn von 1,7 Rappen, was im Vergleich zu gewinnorientierten Unternehmensformen tief sei.

«Coop und Migros berechnen deutlich höhere Margen»

Stefan Flückiger, geschäftsführender Präsident des Vereins Faire Märkte Schweiz.

Stefan Flückiger, geschäftsführender Präsident des Vereins Faire Märkte Schweiz.

Stefan Tschopp

Herr Flückiger, Bio hat eine höhere Marge als herkömmliche Produkte, bei den Bäuerinnen und Bauern kommt aber weniger Geld an. Warum?
Bioprodukte sprechen vielfach eine Zielgruppe an, die bereit ist, für gute Qualität mehr zu bezahlen. Dies ist richtig so. Problematisch ist aber, dass  das viele Anbieter ausnutzen und höhere Margen berechnen, und dass so vom Konsumentenfranken weniger bei den Bäuerinnen und Bauern ankommt.

Schöpfen Migros und Coop einen zu hohen Teil der Marge ab?
Die Studie von Professor Binswanger hat aufgezeigt, dass diese beiden Anbieter deutlich höhere Margen berechnen als bei konventionellen Produkten – und auch höhere als ihre Mitbewerber Lidl und Aldi.

Aldi und Lidl machen nun Druck. Wie verändert das den Schweizer Biomarkt?
Sie bringen die Bioprodukte in einem attraktiveren Preisverhältnis im Vergleich zu den konventionellen Produkten an die Kundschaft und werden demzufolge auch zukünftig beim Marktanteil noch wachsen, leider auf einem noch tiefen Absatzniveau.

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