Konzertabbruch: «Veranstalter hätten vor der superwoken Minderheit nicht kuschen sollen»

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Konzertabbruch«Veranstalter hätten vor der superwoken Minderheit nicht kuschen sollen»

Ein Konzert wurde in Bern abgebrochen, weil weisse Männer mit Rastas Reggae-Musik spielten. Einige Gäste hätten sich deshalb unwohl gefühlt, sagen die Veranstalter. Nationalrätin Marianne Binder kritisiert dies. Andere haben Verständnis. 

Darum gehts

Am 18. Juli wurde in der Berner Brasserie Lorraine ein Konzert der Berner Band Lauwarm abgebrochen, weil die Bandmitglieder Reggae singen und teilweise Rastas tragen – als weisse Männer. Das wird von manchen als «kulturelle Aneignung» kritisiert. Die Verantwortlichen der Brasserie entschuldigten sich eine Woche später auf Facebook für die mangelnde Sensibilität und dafür, dass sie die Band eingeladen haben.

Kritik an kultureller Aneignung kommt immer wieder auf (siehe Box). Doch es kam bisher nicht vor, dass ein Auftritt deswegen abgebrochen wurde. «Die Kritiker hätten ja auch einfach gehen können», sagt Band-Leader Dominik Plumettaz im Interview mit 20 Minuten. Es habe einen «Shitstorm» gegeben, die Leute hätten unbedingt gewollt, dass das Konzert weitergeht.

Mitte-Nationalrätin und Aargauer CVP-Präsidentin Marianne Binder hat kein Verständnis: «Denen, die sich unwohl gefühlt haben, hätte ich gesagt: Dann geht ihr halt heim.» Die Veranstalter hätten sich einschüchtern lassen von ein paar wenigen. Diese Einschüchterung durch eine kleine, extreme Minderheit sei ihr unverständlich. «Die Veranstalter hätten vor der superwoken Minderheit nicht kuschen sollen.»

«So vergeht einem die Freude und Lust an der integrativen Kraft verschiedener Kulturen und der Musik. Es ist, wie wenn Leute afrikanischen und asiatischen Ursprungs keine Opern mehr singen und keine klassische Musik mehr machen dürften. Ein komplett falsches Verständnis verschiedener Kulturen.»

Auch Konzertbesucher störten sich daran. «Ich war am Konzert und schockiert, dass es abgebrochen wurde! Was war genau der Grund? Was genau führte zum Unwohlsein und was meint ihr mit kultureller Aneignung?», kommentiert jemand auf Facebook den Post der Brasserie Lorraine. Eine 20-Minuten-Userin schreibt im Kommentar: «Ich weiss gar nicht, wer lächerlicher ist: Die woken Schneeflöckchen, welche sich an den Rastas stören, oder der Veranstalter, welcher vor einer Minderheit kuscht und so den ganz normalen Rest um ein Konzert bringt.»

Der Kern der Diskussion

Doch es äussern sich auch Leute mit anderen Ansichten. So schreibt eine Frau auf Twitter, die sich selber als «superwoke» bezeichnet und nicht mit richtigem Namen zitiert werden will: «Ich finde es mega schade, dass sich Menschen offenbar nicht mit dem Konzept der kulturellen Aneignung beschäftigen mögen und es gleich als super woke abtun. Es hat Facetten.»

David B. aus Basel äussert sich ebenfalls auf Twitter: Das Thema habe einen wahren Kern. Zum Ereignis in Bern sagt er auf Anfrage von 20 Minuten nichts. Nur grundsätzlich: «Wir Weissen profitieren häufig von einer Kultur von Minderheiten, die selber wenig davon profitiert haben.» Es gehe um Geld, Macht und Anerkennung, sagt B. «Wenn alle Menschen gleichgestellt wären, gäbe es diese Diskussionen auch nicht.»

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«Man kann die Wurzeln nicht leugnen»

Auch Phil, Mitglied der Band Lauwarm, der selber Dreadlocks trägt, hat teilweise Verständnis für die Kritik. «Wenn man mich persönlich fragt zum Thema ‘Whiteman Reggae’, dann hatte ich tatsächlich schon seit meiner Jugend immer das Gefühl, dass wirklich authentischer Reggae eigentlich nur aus der Karibik beziehungsweise aus Jamaica kommt.» Man könne die Wurzeln der Musik und der Kultur nicht leugnen. «In unserem kreativen Ausdruck sind wir aber frei und Menschen sind genauso frei, darüber zu urteilen.» Letztlich sei Musik ein Melting Pot und ohne «Black Music» hätten wir wohl überhaupt keine Musik, sagt er.

Zum konkreten Vorwurf der kulturellen Aneignung könne er sich jedoch nicht äussern, da er nicht wisse, von wem dieser Vorwurf stamme und was die Person genau gestört habe.

Dass die Betroffenen anonym geblieben sind, sorgte ebenfalls für Kritik. Die Anonymität sei der Gipfel, sagt Marianne Binder. «Das zeigt, dass sie argumentativ völlig schwach sind.» Band-Leader Dominik Plumettaz sagt dazu: «Bis heute weiss ich nicht, wer diese Kritik an uns geäussert hat.» Das störe ihn sehr, denn so könne er nicht darauf reagieren und sich nicht mit der Kritik auseinandersetzen.

Wokeness und die Kritik an kultureller Aneignung

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