Bern: Band muss Konzert abbrechen – weil weisse Musiker Rastas tragen

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BernBand muss Konzert abbrechen – weil weisse Musiker Rastas tragen

Die Berner Mundart-Band Lauwarm trat am 18. Juli in der Brasserie Lorraine auf, musste aber den Auftritt frühzeitig beenden, weil Gäste sich «unwohl» fühlten. Das sorgt für Kritik.

Darum gehts

Eigentlich hätte an diesem Montag zu Beginn der Sommerferien eine andere Band auftreten sollen in der Berner Brasserie Lorraine. Doch diese sagte kurzfristig ab. Daraufhin konnte die Brasserie die Berner Mundart-Band Lauwarm gewinnen. Sie sprang am 18. Juli ein. Die fünfköpfige Band hat Reggae, Indi-World und Pop in ihrem Programm.

Doch der Auftritt dauerte nicht lange. Weil verschiedene Konzertbesucherinnen und -besucher gegenüber den Veranstaltern «Unwohlsein mit der Situation» äusserten, brachen diese nach Rücksprache mit den Bandmitgliedern das Konzert ab. Dies teilt die Genossenschaft Brasserie Lorraine am Montag auf Facebook mit.

Das Unwohlsein der Konzertbesucherinnen und -besucher habe sich auf die Thematik der «kulturellen Aneignung» bezogen, heisst es in dem Facebook-Post: die Übernahme einer Kultur durch Angehörige einer anderen Kultur. Sprich: Weil die Band Lauwarm aus fünf weissen Männern, teilweise mit Rastafrisuren, besteht und nicht etwa aus indigenen Jamaikanern, deren Vorfahren die in der Reggae-Musik thematisierte Ausgrenzung erfahren hatten, ist sie in den Augen mancher nicht berechtigt, Reggae zu spielen.

Entschuldigung für «Sensibilisierungslücken»

Die Verantwortlichen entschuldigen sich im Facebook-Post «bei allen Menschen, bei denen das Konzert schlechte Gefühle ausgelöst hat». Man trage die Verantwortung dafür, da man die Band eingeladen habe. Die eigenen «Sensibilisierungslücken» sowie die Reaktion vieler Gäste hätten wieder einmal gezeigt, wie aufgeladen das Thema sei. «Wir haben es verpasst, uns im Vornherein genug damit auseinanderzusetzen und Euch zu schützen.»

Die Reaktionen auf den Facebook-Post sind irritiert – aber nicht wegen «kultureller Aneignung», sondern weil das Konzert abgebrochen wurde. Ein User fragt, ob es in Zukunft nur noch Ländler gebe in der Brasserie Lorraine, «wobei man bei Schottisch wohl schon wieder einschreiten müsste». Eine Facebook-Userin ist empört und verweist auf Bob Marley: «Würde er sagen, dass Reggae nur von Jamaikanern gespielt werden darf?! Im Ernst?!? Er selber hatte übrigens einen weissen Vater.» Eine Userin schreibt: «Meine Familie in Afrika würde sich fragen: Habt ihr überhaupt Probleme in Eurem Leben?»

Tom Berger, Co-Fraktionspräsident der FDP Stadt Bern, twittert: «Jetzt mal ehrlich. Wenn Du Dich ‹unwohl› fühlst, weil weisse Menschen Reggae-Musik machen, könnte es dann sein, dass DU das Problem bist ...?»

Die Verantwortlichen der Brasserie Lorraine waren am Dienstagvormittag für eine Stellungnahme nicht erreichbar, man solle es später wieder versuchen. Der Bandleader von Lauwarm äusserte sich am Dienstagmittag in einem Interview gegenüber 20 Minuten: Der Vorwurf sei daneben. «Wir sind keine Rassisten.»

Die Diskussion zum Thema «kulturelle Aneignung» wird weitergeführt: In der Lorraine findet am 18. August eine Diskussionsrunde zum Thema kulturelle Aneignung statt. Die Reaktionen der Gäste auf den Abbruch des Konzerts hätten gezeigt, «dass wir zusammen reden und einander zuhören müssen». Deshalb seien alle, die mögen, eingeladen. Man erwarte einen respektvollen Umgang, Rassismus und Diskriminierung hätten «keinen Millimeter Platz».

Warst du am Konzert vom 18. Juli dabei und möchtest erzählen, wie du den Abend erlebt hast? Bitte schreibe uns auf redaktion@20minuten.ch

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