Schweiz: Homosexueller Lehrer verliert wegen Eltern seinen Job

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Pfäffikon ZHKonservative Eltern mobben homosexuellen Lehrer aus dem Job

Dass ein homosexueller Lehrer an einer Schule in Pfäffikon ZH Sexualkundeunterricht gibt, passt nicht in das Weltbild mancher Eltern. Sie fahren eine Verleumdungskampagne: mit Erfolg.

Darum gehts

  • In einer Primarschule in Pfäffikon ZH verlor ein homosexueller Lehrer seinen Job.

  • Der Kündigung war eine lange Reihe von Vorwürfen seitens mancher Eltern vorausgegangen, der Lehrer würde falschen Sexualkundeunterricht machen.

  • Anfangs stellte sich die Schulleitung noch hinter den Lehrer, knickte aber irgendwann ein.

Daniel Brunner (Name geändert) ist seinen Job los: Und das nicht, weil er sich irgendetwas hätte zuschulden kommen lassen, im Gegenteil. Vielmehr ist er Opfer einer Verleumdungskampagne wertkonservativer Eltern, die in seiner Homosexualität ein Problem sahen und nicht wollten, dass der 40-Jährige ihre Kinder in Sexualkunde unterrichtet. Darüber berichtet der «Zürcher Oberländer» bzw. «Züriost».

Brunner, der seit 2019 als Quereinsteiger am Schulhaus Obermatt in Pfäffikon ZH arbeitet, ist ein engagierter Primarlehrer, zuvor arbeitete er als Softwareentwickler. Im Sommer 2023 bekommt er eine neue Schulklasse, die er gemäss dem Lehrplan auch in Sexualkunde unterrichten soll. Bereits drei Jahre zuvor hatte er seinen ersten Klassenzug im Fach unterrichtet, Probleme gab es keine. Gemeinsam mit einer Kollegin bereitet er den Unterricht vor. Was Brunner da noch nicht weiss: Die kommenden Monate werden die Hölle für ihn sein.

Angebliche Hausaufgabe: Zu Hause onanieren

Denn schnell zeigt sich: Obwohl Brunner sich an den Lernplan hält und grossen Wert darauf legt, im Rahmen des eher etwas schambehafteten Sexualkundeunterrichts seinen Schülern ein sicheres Umfeld zu bieten, haben manche Eltern ein Problem mit seinem Unterricht. Immer wieder werden sie bei ihm vorstellig, um sich über seinen Unterricht zu beschweren, eine Mutter will sogar beim Sexualkundeunterricht dabei sein. Vornehmlich handelt es sich um freikirchlich-wertkonservative Eltern, die – wie sich im Laufe der folgenden Monate herausstellen wird – vor allem eine Sache fürchten: Brunners Homosexualität.

Sie werfen ihm vor, Kompetenzen zu überschreiten und den Inhalt des Unterrichts zu verheimlichen. Die Schulleitung stellt sich zunächst hinter ihn und bekräftigt, er habe seine pädagogische Aufgabe voll und ganz erfüllt. Sie spricht sogar von übler Nachrede der Eltern gegenüber Brunner. Die Eltern machen trotzdem weiter, ihre Vorwürfe tragen sie mittels eines Schreibens an die Schulpflege und den Leiter der Bildung heran. Diese sind extrem: Brunner habe beispielsweise seinen Schülern die Hausaufgabe erteilt, zu Hause zu onanieren. Die Vorwürfe stützen sich auf angebliche Aussagen von Schülern.

Die Lehrerschaft stellt sich hinter Brunner

Doch damit nicht genug. Die Eskalationsspirale dreht sich weiter. Brunner wird erneut zur Schulleitung zitiert und mit neuen Vorwürfen der Eltern konfrontiert: Er würde den Kindern zu wenig Wertschätzung entgegenbringen. Die Schulleitung gibt auch zu, dass die Eltern in Brunner eine Gefahr für ihr Weltbild sehen. Ihm wird nahegelegt, sich erst einmal auf administrative Arbeit zu konzentrieren und nicht weiter zu unterrichten. Das ist zu viel für den 40-Jährigen: Er lässt sich krankschreiben und wendet sich an die Beratungsstelle des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverbands (ZLV). Diese stellt ihm unter anderem einen Anwalt zur Verfügung.

Sollten Schulen und Bildungseinrichtungen mehr tun, um LGBTQ+-Lehrkräfte zu schützen?

Derweil formiert sich hinter Brunner die Lehrerschaft: In einem Brief an die Schulleitung beklagen die Lehrer, dass Brunner nur aufgrund seiner Sexualität zur Zielscheibe der Eltern geworden sei. Sie fordern: «Das darf hier und heute nicht mehr passieren!» Ebenso melden sich manche Eltern zu Wort, die es nicht richtig finden, dass ihre Kinder nun auf den beliebten Lehrer verzichten müssen.

Irgendwann kann Brunner nicht mehr

Das alles nützt Brunner final nichts. Im Februar 2024 wird ihm per Mail gekündigt. Die Begründung: Die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr gegeben. Die Kündigung habe nichts mit seinem Sexualkundeunterricht zu tun, sondern vielmehr damit, wie er mit den Vorwürfen und kritischen Nachfragen umgehe: «Wir stellen fest, dass du den Dialog mit den Eltern und nun auch mit uns verweigerst.»

Brunners Anwalt stellt eine grosse Anzahl an Rechtsverletzungen fest: Rufschädigung, Verweigerung des rechtlichen Gehörs, Verletzung des Personalrechts. Trotzdem sieht sich der Lehrer irgendwann gezwungen, aufzugeben.

Er lässt gemeinsam mit seinem Anwalt die Vertragsauflösung vereinbaren, Ende Februar informiert die Schule in einem bizarr anmutenden Schreiben über den Schritt: «Wir bedauern diesen Entscheid, denn wir verlieren mit ihm einen sehr engagierten Lehrer. Er hat sich auch während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit stets dialogbereit gezeigt», so die Schule plötzlich. Man entschuldige sich bei dem Lehrer, wenn man sich in der Vergangenheit missverständlich ausgedrückt habe. In letzter Instanz haben die konservativen Eltern also gewonnen.

Korrigendum: In einer früheren Version des Artikels wurde auf den «Tages-Anzeiger» referenziert. Der Geschichte entstammt aber ursprünglich dem «Zürcher Oberländer».

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Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen

Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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