Gaza-Krieg: Menschen müssen Rafah evakuieren

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Rafah«Wo sollen wir hin?»: Evakuierung lässt Zivilisten verzweifeln

Nach monatelangen Ankündigungen hat Israel mit den Vorbereitungen für den Militäreinsatz in der Stadt Rafah begonnen. Im Gebiet, wo sich Hunderttausende Geflüchtete aufhalten, droht eine humanitäre Krise.

Darum gehts

  • Israels Militär hat die Einwohner im Osten von Rafah dazu aufgerufen, das Gebiet zu evakuieren.

  • Das Land hat ein Flüchtlingscamp in Al-Mawasi am Mittelmeer eingerichtet, doch dieses ist bereits überfüllt.

  • Die internationale Gemeinschaft ruft Israel seit Langem dazu auf, auf eine Militäroffensive in Rafah zu verzichten.

Die Menschen im Gazastreifen haben nach der Ankündigung Israels, eine Luft- und Bodenoffensive in Rafah durchzuführen, damit begonnen, die Stadt zu verlassen. Kurz zuvor hatte das israelische Militär die Bewohner im Süden des Gazastreifens zur «sofortigen Evakuierung» aufgerufen.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leben derzeit etwa 1,2 Millionen Menschen in Rafah. Die meisten davon sind während des siebenmonatigen Krieges zwischen Israel und palästinensischen Hamas-Kämpfern aus anderen Teilen des Gebiets dorthin geflohen. Nun stellt sich die Frage: Wohin sollen diese Menschen flüchten? Ein Überblick der Situation:

Warum will Israel einen Militäreinsatz in Rafah durchführen?

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab vor einigen Tagen an, dass das Militär «mit oder ohne Friedensabkommen» und trotz wiederholter Warnungen aus dem Westen gegen Rafah vorgehen werde. Er habe ein einziges Ziel: die militante Hamas-Gruppe zu zerstören.

«Wir werden Rafah angreifen, weil wir keine andere Wahl haben. Wir werden die Hamas-Bataillone dort vernichten und alle Kriegsziele erreichen, einschliesslich der Rückkehr aller unserer Geiseln», meinte Netanjahu.

Was wird aus den Zivilisten in Rafah?

Seit Montagmorgen verlassen Palästinenser Teile der Stadt, um sich in Richtung Norden nach Chan Junis und Deir al-Balah zu bewegen. Die meisten transportieren ihr Hab und Gut zu Fuss, in überfüllten Fahrzeugen oder in von Eseln gezogenen Karren.

Seit dem 6. Mai 2024 verlassen Palästinenser Teile der Stadt, um sich in Richtung Norden nach Chan Junis und Deir al-Balah zu bewegen. Die meisten transportieren ihr Hab und Gut zu Fuss oder in überfüllten Fahrzeugen oder in von Eseln gezogenen Karren.

20 Minuten

Die israelische Armee ihrerseits forderte die Leute auf, in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu ziehen. Dort leben nach Angaben israelischer Medien etwa 100'000 palästinensische Zivilisten. Das Flüchtlingscamp sei mit Feldlazaretten, Zelten und einer Wasserleitung ausgestattet worden. Hilfsorganisationen und Vertriebene widersprechen: Das Gebiet soll bereits überfüllt sein und wenig Platz für Neuankömmlinge bieten.

Israels Militär hat Einwohner des östlichen Teils der Stadt Rafah im Grenzgebiet zu Ägypten dazu aufgerufen, sich in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu begeben.

Israels Militär hat Einwohner des östlichen Teils der Stadt Rafah im Grenzgebiet zu Ägypten dazu aufgerufen, sich in das einige Kilometer nördlich gelegene Al-Mawasi-Lager am Mittelmeer zu begeben.

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Wie reagieren die Menschen auf die Evakuierung?

Es herrsche grosse Angst und Verwirrung, schildern Zeugen gegenüber der «Deutschen Welle». «Es ist nicht einfach, von einem Ort zum anderen zu ziehen, von Vertreibung zu Vertreibung», sagte die 40-jährige Hanah Saleh, die bereits aus Tal Al-Zaatar im Norden des Gazastreifens nach Rafah vertrieben worden war. «Wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen», meinte Um Ahmed Fasef gegenüber AFP. Es sei das dritte Mal, dass er seit Kriegsbeginn vertrieben werde.

Abertausende Flüchtlinge befinden sich noch in Rafah.

Abertausende Flüchtlinge befinden sich noch in Rafah.

IMAGO/ZUMA Wire

«Wo sollen wir hin?», fragt sich Jazar. Mit seiner Familie sei er aufgefordert worden, in die «humanitäre Zone» zu gehen, doch inzwischen habe er gehört, dass es dort nicht mehr genug Platz für alle Vertriebenen gibt.

Ist eine Feuerpause möglich?

Verhandlungen Israels mit der islamistischen Hamas in Kairo über eine neue Feuerpause und die Freilassung von Geiseln im Gegenzug für palästinensische Häftlinge waren bis anhin ohne Ergebnis geblieben. Eine Militäraktion in Rafah sei notwendig und ohne Alternative, hiess es.

CIA-Chef William Burns wollte sich nach Informationen der «Times of Israel» bei einem Besuch in Israel am Montag noch für einen Deal in letzter Minute einsetzen.

Am Montagabend hat die Hamas bekanntgegeben, dass sie einen ägyptisch-katarischen Vorschlag für eine Waffenruhe akzeptiere. Dies habe Hamas-Chef Ismail Hanija dem Regierungschef von Katar und dem ägyptischen Geheimdienstminister am Telefon gesagt, teilte die Hamas mit. Israel äusserte sich zunächst nicht.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft auf Israels Androhungen?

Frankreich, Deutschland und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell riefen Israel dazu auf, auf eine Bodenoffensive in Rafah zu verzichten. Der Evakuierungsaufruf würde das Schlimmste ahnen lassen, «mehr Krieg und Hungersnot», schrieb Borrell auf X, ehemals Twitter.

Jordaniens Aussenminister Ayman Safadi fand deutliche Worte auf X: «Ein weiteres Massaker an den Palästinensern steht bevor. Israel warnt die Palästinenser, Rafah zu verlassen, da es mit einem Angriff droht. Alle müssen jetzt handeln, um dies zu verhindern. Gelingt es nicht, das Massaker zu verhindern, wird dies ein unauslöschlicher Schandfleck auf die internationale Gemeinschaft sein. Es wurden zu viele Massaker zugelassen. Genug.»

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