Wolf: So heftig boxte Bundesrat Rösti das Jagdgesetz durch

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Gnadenfrist für WolfBereits 32 tot: So boxte Bundesrat Rösti das Jagdgesetz durch

Seit einem Monat streifen schweizweit Jäger durch die Wälder, um ganze Wolfsrudel zu schiessen.  Dokumente zeigen, wie Umweltminister Albert Rösti Bedenken der Ämter ignorierte, um möglichst rasch zur Wolfsjagd zu blasen. Diese gerät nun ins Stocken. 

Darum gehts

  • Im Dezember startete die zweimonatige Sonderjagd auf Wölfe in der Schweiz.

  • Innerhalb eines Monats wurden schweizweit bereits 32 Wölfe erlegt. Nun verlangt ein Gericht einen teilweisen Stopp. 

  • Dokumente zeigen, wie sehr Umweltminister und SVP-Bundesrat Albert Rösti aufs Gas drückte, um den proaktiven Abschuss durchzusetzen.

  • Dabei schlug er Bedenken, unter anderem von der Bundeskanzlei und dem Bundesamt für Justiz, in den Wind.

Seit Dezember letzten Jahres ist die Jagd auf 70 Prozent der Wölfe in der Schweiz eröffnet. Zahlen zeigen: Die Anzahl der bisher erlegten Wölfe ist höher als erwartet. Allein im Wallis wurden innerhalb eines Monats bereits 21 Wölfe geschossen – zwei Rudel sind mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits ausgerottet. Behörden gingen ursprünglich von 15 Wölfen bis Ende Januar aus. Im selben Zeitrahmen wurden in Graubünden neun und jeweils ein Wolf in St. Gallen und im Tessin erlegt. Gejagt werden soll noch bis Ende Januar.

Nun geraten die Abschüsse aber ins Stocken. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am Freitag nach Beschwerden von Naturschutzorganisationen die aufschiebende Wirkung für Wolfsabschüsse. In gewissen  Gebieten darf die Wolfsjagd vorerst nicht fortgesetzt werden.

Am gleichen Tag wird bekannt, wie das geltende Gesetz zustandekam. Dokumente aus der Bundesverwaltung, die «CH Media» vorliegen, zeigen nun, wie sehr Umweltminister Albert Rösti (SVP) bei der Wolfs-Sonderjagd aufs Gaspedal drückte.

Kehrtwende innert weniger Monate

Bei der Übernahme des Umweltdepartements vor rund einem Jahr zeigte Neo-Bundesrat Rösti noch keine Anzeichen dafür, dass er so zügig gegen den Wolf vorgehen will. Er stimmte damals einem Zeitplan, der die proaktive Regelung des Wolfs auf frühestens September 2024 ansetzt, zu.

Im Mai aber dann die Kehrtwende: Rösti will das neue Jagdgesetz in zwei Schritten umsetzen – und bereits im Dezember mit proaktiven Wolfsabschüssen starten. Und: Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) vertrat stets den Standpunkt, dass 20 Wolfsrudel die Untergrenze für die Schweiz seien, um die Berner Konvention nicht zu missachten. Zu viel, findet nun der SVP-Bundesrat: Er schlägt zehn, 14 oder höchstens 15 Rudel vor – letztendlich sollen es zwölf sein.

Im August klärt Röstis Generalsekretariat bei der Bundeskanzlei ab, ob der Plan des zweistufigen Einführungsverfahrens einer eigenen Vernehmlassung bedarf. Die Positionen aus der Auseinandersetzung um die abgelehnte Abstimmung der Jagdgesetzrevision seien schliesslich bekannt. Die Bundeskanzlei teilt ihre Bedenken mit – verweist in ihrer Antwort, die den «CH Media»-Zeitungen vorliegt, aber auch darauf, dass «letztlich die Verantwortung des Vernehmlassungsverzichtes bei der federführenden Verwaltungseinheit liegt».

Rösti schlägt Bedenken der Bundesämter in den Wind

Der Aufschrei über das abgekürzte Verfahren lässt nicht lange auf sich warten: Umweltschutzverbände, Ämter, verschiedene Parteien und auch die Konferenz der Gebirgskantone äussern Bedenken. Die Bundeskanzlei schreibt im zusammenfassenden Bericht: Eine ordentliche Vernehmlassung wäre nötig. Die Abteilung der Biodiversität aus dem Bafu versucht nochmals, mit Zustimmung des Veterinärwesens, die Mindestgrenze für Wolfsrudel auf 20 zu erhöhen. Eine Begründung für einen Schwellenwert von zwölf Rudeln fehle, findet auch das Bundesamt für Justiz. Ob die Berner Konvention so eingehalten werde, sei «fraglich».

Letztlich geben landwirtschaftsnahe Kreise den Ton an: Diese würden ein «rasches Vorgehen zur wirksamen Regulierung und starken Reduzierung des Wolfbestands» befürworten, heisst es in der Auswertung der Konsultation. Anfang November stellt Rösti schliesslich die neue Verordnung vor – Mindestgrenze sind zwölf Rudel, Jagdbeginn in einem Monat.

Bundesverwaltungsgericht steht teils auf der Bremse

Das Vorhaben mündet im Chaos: In Graubünden müssen etwa drei der neun Abschüsse nach einer rechtlichen Beschwerde als regulative Abschüsse gemäss alten Verfügungen aufgeführt werden – anstelle von proaktiven. Vier Rudel dürfen zudem nicht bejagt werden.

Nachdem verschiedene Umweltverbände juristisch gegen die Sonderjagd vorgingen, steht auch in anderen Kantonen aufgrund von Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts die Wolfsjagd auf manche Rudel still. Zwar stehen definitive Entscheide noch aus – doch durch die aufschiebende Wirkung läuft den Jägerinnen und Jägern langsam die Zeit davon.

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