«Untragbare Schäden»: Bundesrat gibt Wolf zum Abschuss frei – Tierschützer empört

«Untragbare Schäden»Bundesrat gibt Wolf zum Abschuss frei – Tierschützer empört

Der Bundesrat setzt einen Teil des revidierten Jagdgesetzes in Kraft. Wölfe können ab dem 1. Dezember präventiv geschossen werden. Umweltminister Albert Rösti informiert in einer Medienkonferenz.

Der Bundesrat um Umweltminister Albert Rösti hat einen Teil des revidierten Jagdgesetzes in Kraft gesetzt. Künftig können Wölfe präventiv zum Abschuss freigegeben werden.

20Min/Stefan Lanz

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Mittwoch, 01.11.2023

Zusammenfassung

Dem Wolf geht es in der Schweiz an den Kragen: An seiner heutigen Sitzung hat der Bundesrat den ersten Teil des vor einem Jahr vom Parlament revidierten Jagdgesetzes befristet in Kraft gesetzt. Ab dem 1. Dezember ist es den Kantonen somit erlaubt, Wölfe präventiv zu erlegen – bisher war dies erst möglich, nachdem ein Rudel Schaden angerichtet hatte.

Es würden jedoch nur Rudel reduziert, die Auffälligkeiten zeigten, sagte Reinhard Schnidrig, Sektionschef Wildtiere an der Medienkonferenz des Bundesrates. Dies sei beispielsweise dann gegeben, wenn sie die Scheu verlieren oder Aggressivität zeigen und Passanten sowie Hunde anknurren. Die Kantone brauchen zum Abschuss aber weiterhin die Zustimmung des Bundes.

Die rasche Teilinkraftsetzung sei aufgrund des exponentiellen Wachstums der Wolfsbestände dringend notwendig, so der Bundesrat. «Wenn wir nicht rasch handeln, wächst die Population der Wölfe im gleichen Tempo weiter», präzisiert Umweltminister Albert Rösti. Dies würde zu «untragbaren Schäden» führen und könne sich «letztlich auch zu einer Gefahr für die Menschen» entwickeln.

Exponentielle Zunahme der Wölfe

Aktuell leben in der Schweiz etwa 300 Wölfe in 32 Rudeln, vor vier Jahren waren es 11 Rudel und rund 100 Tiere. Ähnlich hat sich auch die Anzahl gerissener Nutztiere vervielfacht. 2019 waren es 446, im letzten Jahr 1480 Risse.

Da der Wolf weiterhin eine geschützte Art bleibt, dürfen ganze Rudel nur in begründeten Fällen geschossen werden. Zudem gilt bei der Anzahl Rudel je nach Region eine andere Mindestgrenze. Die Schweiz ist dazu in fünf Regionen eingeteilt, die Schwelle liegt – abhängig von der Gebietsgrösse – bei zwei oder drei Rudeln. Insgesamt sollen schweizweit immer mindestens 12 Rudel leben.

Geschossen werden sollen die Wölfe hauptsächlich durch kantonale Wildhüter, da die Tiere weiterhin geschützt sind. In Einzelfällen können auch ortskundige Jagdberechtigte hinzugezogen werden.

Durch die präventive Regulierung erhofft sich der Bundesrat, dass die Wölfe wieder scheuer werden und der von ihnen verursachte Schaden gemindert wird. «Wir gehen davon aus, dass Wölfe sehr lernfähig sind», so Rösti. Wölfe würden merken, dass sie geschossen würden, wenn sie ein Nutztier gerissen hätten, und sich dann eher zurückziehen. 

Wolfsschützer empört und enttäuscht

In einer gemeinsamen Mitteilung von mehreren Umweltverbänden geben sich die Wolfsschützer enttäuscht vom heutigen Entscheid des Bundesrates. Insbesondere die völlig beliebige Festlegung von Schwellenwerten für die Anzahl Rudel sei «willkürlich und faktenfrei».

David Gerke, Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz sagt es so: «Heute ist ein trauriger Tag für die Schweizer Wölfe.» Nach den Plänen des Bundesrates können jetzt weit mehr als die Hälfte von ihnen abgeschossen werden. De facto seien Wölfe dadurch sogar schlechter geschützt als Gämse, Hirsche und andere sogenannte «jagdbare» Tiere. Bei denen würde nämlich niemand auf die Idee kommen, auf einen Streich mehr als die Hälfte der Population zu töten.

Gerke kritisiert die neue Regelung sogar als gesetzeswidrig. Bei der Ausarbeitung  des neuen Jagdgesetzes sei zugesichert worden, dass der Abschuss ganzer Rudel die Ausnahme bleiben solle, «jetzt sollen gegen 20 ganze Rudel abgeschossen werden, das ist empörend».

Berggebiete reagieren erleichtert

Die Arbeitsgemeinschaft der Berggebiete ist hingegen erleichtert, dass der Bundesrat dem «exponentiellen Wachstum der Wolfsbestände» ein Ende setzt. Die Bergbäuerinnen und Bergbauern seien den Wölfen «ohnmächtig» gegenübergestanden, einige hätten ihren Betrieb sogar aufgegeben.  (dtr/sla)

Medienkonferenz beendet

Die Medienkonferenz ist beendet.

Bauernverband wollte nur 7 Rudel, Tierschützer 20

Die Stellungnahmen der verschiedenen Verbände seien unterschiedlich ausgefallen. Die KWL, die Konferenz der Jagddirektoren, habe einen gewissen Respekt vor dem Vollzug des Gesetzes und eher eine höhere Mindestschwelle gefordert, die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz eine tiefere. Beim Bauernverband habe man von sieben Rudeln gesprochen, die Tierschutzorganisationen von 20. Somit liege man mit zwölf Rudeln etwa in der Mitte der geforderten Schwellengrenzen.

«Wölfe sind sehr lernfähig»

«Wenn ein Wolf geschossen wird, kommt dann nicht einfach ein neuer?», fragt ein Journalist. «Wir gehen davon aus, dass Wölfe sehr lernfähig sind», entgegnet Rösti. Wölfe würden merken, dass sie geschossen würden, wenn sie ein Nutztier gerissen hätten, und sich dann eher zurückziehen.

«Es wird für uns eine neue Erfahrung sein, ganze Rudel zu entfernen»

Wie entfernt man ein ganzes Wolfsrudel? 80 bis 90 Prozent der Abschüsse konnten in der Vergangenheit von den kantonalen Wildhütern durchgeführt werden, so Schnidrig. Es könnten auch ortskundige Jagdberechtigte hinzugezogen werden. «Es wird für uns eine neue Erfahrung sein, ganze Rudel zu entfernen», sagt Schnidrig.

«Es kann nicht irgendwer einen Wolf schiessen gehen, es sind immerhin immer noch geschützte Tiere», betont Rösti.

«Wir wollen über Tag keine Wölfe in den Dörfern»

Reinhard Schnidrig, Sektionschef Wildtiere, erläutert die Kriterien für die Abschussfreigabe. Es würden nur Rudel reduziert, die Auffälligkeiten zeigten. Dies sei beispielsweise dann gegeben, wenn sie die Scheu verlören oder Aggressivität zeigten und Passanten sowie Hunde anknurrten. «Wir wollen über Tag keine Wölfe in den Dörfern», sagt er.

«Möchte nicht, dass die bestehende Gefahr am Ende in einem Unfall resultiert»

Von Massakern könne man bei dem Gesetz nicht sprechen. Unauffällige Rudel könnten auch in Zukunft nicht entfernt werden. Das Gesetz sei wichtig. «Ich möchte nicht, dass die bestehende Gefahr am Ende in einem Unfall oder Angriff auf Menschen resultiert», so Rösti.

Mindestens 12 Rudel in der Schweiz

Ganze Rudel dürften nur unter bestimmten Voraussetzungen entfernt werden. Damit werde die Berner Konvention weiterhin eingehalten. Zudem gelte eine Mindestschwelle von zwölf Rudeln in der Schweiz.

«Untragbare Schäden und letztlich auch Gefahr für Menschen»

Mit der Gesetzesänderung sei es künftig nicht mehr nötig, dass zuerst eine gewisse Anzahl gerissener Nutztiere nachgewiesen wurde, bis Wölfe zum Schuss freigegeben werden könnten.

«Wenn wir nicht rasch handeln, geht die Ausbreitung der Wölfe und die damit verbundenen Schäden an Nutztieren im gleichen Tempo weiter», sagt Rösti. Dies würde zu «untragbaren Schäden» führen und könne sich «letztlich auch zu einer Gefahr für die Menschen» entwickeln.

Pressekonferenz beginnt

Albert Rösti eröffnet die Pressekonferenz. «Zum einen ist der Wolf eine geschützte Tierart, zum anderen leidet die Landwirtschaft unter Angriffen auf Nutztiere», sagt er. Die Entwicklung der letzten Jahre zeige die Dringlichkeit des Problems.

Bundesrat Rösti gibt Schweizer Wölfe zum Abschuss frei

Dem Wolf geht es in der Schweiz an den Kragen: An seiner heutigen Sitzung hat der Bundesrat den ersten Teil des vor einem Jahr vom Parlament revidierten Jagdgesetzes befristet in Kraft gesetzt. Ab dem 1. Dezember ist es den Kantonen somit erlaubt, Wölfe präventiv zu erlegen – bisher war dies erst möglich, nachdem ein Rudel Schaden angerichtet hatte.

Die rasche Teilinkraftsetzung sei aufgrund des exponentiellen Wachstums der Wolfbestände dringend notwendig, so der Bundesrat. Aktuell leben in der Schweiz etwa 300 Wölfe in 32 Rudeln, vor vier Jahren waren es elf Rudel und rund 100 Tiere. Ähnlich hat sich auch die Anzahl gerissener Nutztiere vervielfacht. 2019 waren es 446, im letzten Jahr 1480 Risse.

Da der Wolf weiterhin eine geschützte Art bleibt, dürfen ganze Rudel nur in begründeten Fällen geschossen werden. Zudem gilt bei der Anzahl Rudel je nach Region eine andere Mindestgrenze. Die Schweiz ist dazu in fünf Regionen eingeteilt, die Schwelle liegt abhängig von der Gebietsgrösse bei zwei oder drei Rudeln.

Durch die präventive Regulierung erhofft sich der Bundesrat, dass die Wölfe wieder scheuer werden und der von ihnen verursachte Schaden gemindert wird. Die Kantone brauchen dazu aber weiterhin die Zustimmung des Bundes.

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