«Wir haben freiwillig auf unseren Lohn verzichtet»

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Swiss-Interview«Wir haben freiwillig auf unseren Lohn verzichtet»

Der Swiss-Kommerzchef Tamur Goudarzi Pour erklärt im Interview, warum es kein Gratisessen mehr auf Kurzstreckenflügen gibt, und spricht über die Pläne für die Zeit nach der Krise.

Darum gehts

  • Swiss-Kommerzchef Tamur Goudarzi Pour erklärt, wieso es kein Gratisessen mehr gibt.

  • Er nimmt zudem Stellung zu den Boni, die ausbezahlt wurden.

  • Und erklärt, wie Stellen bei der Airline gestrichen werden sollen – ohne Kündigungen.

Die Swiss leidet unter der Corona-Krise und braucht staatliche Hilfe. Trotzdem wurden Boni ausbezahlt ...

Goudarzi Pour: Es handelt sich nicht um Boni im Sinne einer Gratifikation, sondern um eine variable Lohnkomponente, die fester Bestandteil des Arbeitsvertrages ist. Dieser wurde der Geschäftsleitung für das erfolgreiche Geschäftsjahr 2019 nach Sicherung der Liquidität von Swiss Ende Oktober ausbezahlt. Für 2020 und auch die weiteren Krisenjahre fällt diese Vergütung weg, hierzu hat sich die Geschäftsleitung schriftlich verpflichtet.

Die Swiss hat einen Stellenabbau und Lohnkürzungen angekündigt – wie viele Stellen sind betroffen?

In den kommenden zwei Jahren werden rund 1000 Stellen abgebaut – in allen Bereichen. Wir setzen dabei auf drei sozial verträgliche Massnahmen: Einstellungsstopp, attraktive Teilzeitmodelle mit Lohnverzicht und frühzeitige Pensionierungen.

Verzichten Sie auch auf Lohn?

Ja, ein freiwilliger Lohnverzicht im Top-Management dieses Jahr von 20 Prozent für sechs Monate bedeutet zusammen mit dem Verzicht auf die variable Vergütung eine Gesamtlohnreduzierung von mehr als 40 Prozent im Jahr 2020 und 30 Prozent für jedes weitere der Krisenfolgejahre. Ich finde, das ist fair.

Ab April gibt es kein Gratisessen mehr in der Economy auf den Kurz- und Mittelstrecken, ist das eine weitere Sparmassnahme?

Wir reagieren mit dieser Massnahme in erster Linie auf das Feedback unserer Kunden, die mehr Auswahl und Qualität wünschen. Zwar können so auch Kosten gesenkt werden, aber das neue Konzept ermöglicht es uns vor allem, noch besser auf die individuellen Wünsche unserer Kunden einzugehen. Ab Genf wurden die hochwertigen Produkte zum Kauf bereits 2018 eingeführt und kommen bei unseren Kunden äusserst gut an. Ich kann nur empfehlen, es nach Einführung einfach einmal auszuprobieren und sich selber zu überzeugen.

Wie unterscheidet sich die Swiss dann noch von Billigairlines wie Easyjet?

Wir setzen beim Essen noch mehr auf hohe Qualität mit regionalem Bezug. Zudem sind uns faire Preise wichtig. Die genauen Preise kann ich noch nicht verraten. Nur so viel: Kleinere Snacks wie Sandwiches werden im einstelligen Franken-Bereich erwerbbar sein. Das Wasser und die Schokolade aus der Schweiz werden übrigens weiterhin gratis serviert. In der Businessclass bleibt unser Serviceangebot unverändert.

Die Auslastung der Flüge ist zurzeit tief. Rechnen Sie mit einer höheren Frequenz an Weihnachten?

Die Corona-Krise belastet uns weiterhin schwer, die Auslastung der Flüge liegt deutlich unter dem Vorjahr. Dadurch verlieren wir pro Tag insgesamt 1 bis 2 Millionen Franken, wir stellen aber immer sicher, dass unsere variablen Flugkosten gedeckt sind. In den letzten Tagen ist die Nachfrage erfreulicherweise gestiegen. Die Menschen möchten ihre Familie und Freunde im Ausland über die Festtage besuchen. Darum rechnen wir mit einem kleinen Peak zur Weihnachtszeit. Auch Ferienziele wie Spanien oder Portugal und einige Langstreckenziele wie São Paulo und Johannesburg sind gefragt.

Dieter Vranckx wird der neue Swiss-Chef, wird sich mit ihm alles ändern?

Ich kenne Dieter Vranckx persönlich und freue mich auf ihn. Er bringt viel Erfahrung von der Lufthansa sowie von Swiss mit. Aber zunächst sollte er Zeit erhalten, bei Swiss ankommen und sich in seine neue Aufgabe einarbeiten zu können.

Was sind die Pläne für die Zeit nach der Krise?

Wir kämpfen nicht um unser Überleben, sondern um unsere Zukunft. Es wird wohl eine neue Normalität geben: Dabei wird es zunächst weniger Geschäftsreiseverkehr und dafür mehr Privatreisende an Bord unserer Flüge geben. Abhängig vom Verlauf der Pandemie und den Test- und Impfmöglichkeiten erwarten wir ab dem 2. Quartal 2021 eine deutliche Erholung. Den Stand der letzten Jahre erreichen wir voraussichtlich zwar frühestens 2024. Insgesamt schauen wir nach diesem schwierigen Winter aber wieder hoffnungsvoll ins nächste Jahr.

414 Millionen Franken Verlust

Die Swiss ist wegen der Corona-Pandemie in den ersten neun Monaten tief in den roten Zahlen gelandet. Operativ flog die Lufthansa-Tochter laut eigenen Angaben einen Verlust von 414,7 Millionen Franken ein, nach einem Gewinn von 489,6 Millionen im Vorjahressemester.

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