Wie Elon Musk Twitter Stück für Stück zerlegt

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ÜbernahmeWie Elon Musk Twitter Stück für Stück zerlegt

Twitter befindet sich seit der Übernahme durch den Tech-Milliardär radikal im Umbruch. Hier gibt es eine Übersicht, was bisher passiert ist. 

Darum gehts

  • Der reichste Mensch der Welt ist nach dem Milliarden-Kauf alleiniger Herrscher über Twitter.

  • Seither hat er den Kurznachrichtendienst wiederholt ins Chaos gestürzt.

  • Zuletzt hat Musk Tausende Mitarbeitende entlassen, zahlreiche hochrangige Mitarbeitende haben Twitter seither aus freien Stücken den Rücken gekehrt. 

Die Evolutionsgeschwindigkeit von Twitter werde im Vergleich zu früher eine enorme Veränderung erfahren, zitierte die «New York Times» den neuen Twitter-Besitzer Elon Musk. Tatsächlich erlebte die Plattform in den letzten Tagen und Wochen bereits einige gravierende Neuerungen. 

Eine Neuerung bei Twitter ist, dass nun alle Mitarbeitenden mindestens 40 Stunden pro Woche im Büro anwesend sein müssen. Homeoffice ist nicht mehr erlaubt. Bei einer Betriebsversammlung sagte Musk, einige «herausragende» Angestellte könnten von der Büropflicht ausgenommen werden. Die entsprechenden Anträge überprüfe er persönlich. Wem das nicht passe, der könne kündigen. In einer E-Mail hatte Musk das Aus fürs Homeoffice damit begründet, dass vor Twitter harte Zeiten lägen und Erfolg nur durch intensive Arbeit zu erreichen sei.

Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC erklärte, sie verfolge die Entwicklung bei Twitter mit tiefer Sorge. «Kein Vorstandschef und kein Unternehmen steht über dem Gesetz», erklärte sie. Die FTC habe Instrumente, um die Einhaltung von Vorschriften sicherzustellen, und sie werde davon Gebrauch machen.

Mehrere hochrangige Twitter-Mitarbeiter haben gekündigt 

Elon Musk hat unlängst 3700 Mitarbeitende entlassen. Diese erfuhren per E-Mail, ob sie ihren Job behalten durften oder nicht. Das Schreiben war mit dem Betreff «Ihre Rolle bei Twitter» versehen. Seither haben jedoch  zahlreiche hochrangige Mitarbeitende das Unternehmen aus freien Stücken verlassen:

Die Chefin für Informationssicherheit, Lea Kissner, kündigte in der Nacht auf Freitag (Schweizer Zeit) via Tweet an, das Unternehmen zu verlassen. Auch Yoel Roth, Chef der Abteilung für Vertrauen und Sicherheit beim Online-Dienst, habe seine Kündigung eingereicht, hiess es in einer internen Mitteilung, aus der ein Top-Manager zitierte. Der bisherige Datenschutzbeauftragte bei  Twitter, Damien Kieran, nahm ebenfalls seinen Hut.

Der Cybersicherheitsexperte Alex Stamos twitterte, es bestehe die ernste Gefahr, dass Twitter mit seinem drastisch reduzierten Personal gegen Vorschriften zur Datensicherheit verstosse. Twitter habe mit einem internen Sicherheitsmodell Fortschritte gemacht und werde bei einem Rückfall Ärger mit den Behörden in den USA und Europa bekommen. 

Chaos um Verifikations-Häkchen

Der Kurznachrichtendienst hat am Mittwoch die von Musk angekündigte Neuordnung bei der Vergabe der Verifikations-Häkchen umgesetzt. Bisher wurden sie von Twitter nach einer Prüfung nur Prominenten, Politikern und Unternehmen zugestanden. Nach dem neuen System bekommt das Häkchen jeder, der acht Dollar (7.70 Franken) pro Monat bezahlt. Eine Identitätsprüfung gibt es nicht. Das Häkchen sieht dabei in beiden Fällen gleich aus. Ob man es mit einem früheren tatsächlich verifizierten Account oder mit einem neuen, gekauften Häkchen zu tun hat, erfährt man nur aus dem Text nach Anklicken des Symbols.

Einige Nutzer machten von der neuen Funktion Gebrauch, um täuschend echt aussehende Fake-Accounts anzulegen: etwa von Basketball-Star LeBron James, der Spielefirma Nintendo und Ex-US-Präsident Donald Trump. Der Pharmakonzern Eli Lilly entschuldigte sich bei Twitter-Nutzern, die ein Fake-Account glauben liess, Insulin werde künftig kostenlos vertrieben. CBS News berichtet, dass kurzzeitig ein verifizierter Fake-Account des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush aktiv war, der sich dem Anschein nach mit dem ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair darüber unterhielt, wie beide «es vermissen, Iraker zu töten». Musk hat inzwischen angekündigt, Parodie-Accounts würden künftig explizit als solche gekennzeichnet sein müssen – sonst drohe die Sperrung.

Namhafte Werbepartner sind abgesprungen

Bekannte Unternehmen wie Audi, General Motors, United Airlines und weitere haben ihre Werbung bei Twitter vorerst ausgesetzt. Sie wollen nach eigenen Angaben zunächst prüfen, ob und inwieweit Musks Pläne für eine Lockerung der Regeln gegen Hassrede auf der Plattform zu einem Anstieg toxischer Inhalte im Netz führen. 

Die Neuausrichtung des Kurznachrichtendiensts werde ihren Marken nicht schaden, versicherte Musk in einem auf Twitter übertragenen Live-Gespräch. Zugleich räumte er ein, dass auf dem Weg zu einer besseren und sichereren Nutzererfahrung einige «dumme Sachen» passieren würden. Das Werbegeschäft gilt als Haupteinnahmequelle für Twitter. Der Tech-Milliardär hat gedroht, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr bei Twitter schalten, öffentlich blosszustellen.

Zahl der rassistischen Tweets hat zugenommen

Die Zahl der rassistischen Beleidigungen bei Twitter ist nach der Übernahme der Social-Media-Plattform durch Tech-Milliardär Elon Musk einem aktuellen Bericht zufolge stark angestiegen. Forscher der Nichtregierungsorganisation Center for Countering Digital Hate berichteten am Donnerstag (Ortszeit), die Zahl der Tweets, die eine oder mehrere rassistische Beleidigungen enthielten, habe in der Woche nach dem Kauf Twitters durch Musk deutlich zugenommen.

Verwandelt Musk Twitter in einen Zahlungsabwickler?

Seine Business-Anfänge machte Elon Musk bei X.com. Der Zahlungsabwickler ist heute unter dem Namen «Paypal» allgegenwärtig. Die «New York Times» berichtet über Pläne, Twitter zukünftig als Zahlungsabwickler nutzen zu können. Angeblich soll die Kryptowährung Dogecoin integriert werden. Die anfängliche «Scherz-Währung» erlebte nach der Übernahme von Musk einen Höhenflug. Dogecoin ist eine digitale Währung, die 2013 als Parodie zur Kryptowährung Bitcoin ins Leben gerufen wurde und seitdem selbst auf Börsen und Märkten gehandelt werden kann.

Mögliche Pleite

Zum ersten Mal seit den Entlassungen wandte sich Musk am Donnerstag nun an die verbliebenen Mitarbeiter. Er forderte sie auf, Twitter dabei zu helfen, eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer zu erreichen. Er sagte zudem, dass Twitter viel Geld verliere. «Es ist möglich, dass wir ein Liquiditätsdefizit von mehreren Milliarden haben werden», schrieb er in Mitteilungen, die die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte, und warnte damit vor einer möglichen Pleite. Um diese zu verhindern, habe Musk «eine Reihe von Tesla-Aktien» verkauft.

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(DPA/AFP/jar)

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