Revenge Porn: «Von dir gibt es ein Sex-Video, das herumgezeigt wird»

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Revenge Porn«Von dir gibt es ein Sex-Video, das herumgezeigt wird»

Betroffene spüren auch Jahre später noch die Folgen von Rache-Pornographie. Zwei Frauen erzählen.

Darum gehts

Der verletzte Ex-Freund will sich rächen und lädt intime Bilder der Frau ins Netz. Solchen Machenschaften will die Politik jetzt ein Ende setzen. Laut Fachpersonen gibt es immer wieder Fälle von so genannter Rache-Pornographie, «Tendenz steigend».

Auf einen Aufruf von 20 Minuten meldeten sich mehrere Betroffene, Männer wie Frauen. Zwei erzählen ihre Geschichte, darunter Alessia G.*: «Mein damaliger Freund dachte, dass ich ihn betrogen hätte, filmte uns heimlich beim Sex und zeigte es allen. Den emotionalen und psychischen Schaden kann sich keiner vorstellen.»

Sie war im letzten Lehrjahr zur Zahntechnikerin, 20 Jahre alt, und war soeben aus den Ferien zurückgekehrt, erzählt Alessia G. «Er hatte das Gefühl, dass ich ihn während der Ferien am Meer betrogen hätte. Trotzdem war zuerst alles normal, er holte mich ab, wir gingen zu ihm und hatten dann Sex.» Zwar sei ihr das Handy aufgefallen, das irgendwie komisch dortgestanden habe, sie habe danach gefragt und es hingelegt. «Er muss es wieder aufgestellt haben.»

Den Lehrmeister informiert

Die Beziehung mit dem eifersüchtigen Freund gestaltete sich immer schwieriger und ging dann in die Brüche. Ein paar Wochen nach der Trennung erfuhr Alessia von einer Bekannten: «Von dir gibt es ein Sex-Video, das herumgezeigt wird.» Was dann folgte, war so schlimm, dass Alessia G. auch neun Jahre später noch weint, wenn sie davon erzählt. Sie wurde am Bahnhof als Schlampe beschimpft, auf der Strasse ausgelacht. In dem kleinen Ort in der Ostschweiz sprach sich das mit dem Video schnell herum. Den Lehrmeister hat sie informiert, der Lehrbetrieb stand voll und ganz hinter ihr. «Doch in der Öffentlichkeit war ich die Dumme, dabei habe ich nichts falsch gemacht.» 

Hast du schon einmal Stalking oder Rache-Pornographie erlebt?

Die Polizei half nicht. Ohne Beweise könne man nichts machen, sagten die Beamten. Dabei hatte Alessia G. Zeugen, die das Video gesehen hatten. «Die Polizei hat mich sowieso nicht ernst genommen, ich wurde belächelt.»

Alessia G. rät allen Frauen, vorsichtig zu sein. «Ich hatte Vertrauen, ich dachte, er ist mein Freund, was kann schon passieren.» Auch in einer Beziehung sollte man keine Nacktaufnahmen machen oder machen lassen, sagt sie. «Wozu braucht es das? Man kann sich anschauen, man kann Sex haben. Das genügt.» Dass der Ständerat einen Strafrechts-Artikel gegen Rache-Pornographie einführen will, begrüsst sie sehr. «Ich hätte meinen Ex-Freund angezeigt, auch wenn es vielleicht mangels Beweisen nichts genützt hätte.»

Die Erfahrung mit der Rache-Pornographie verfolgt Alessia bis heute. «Ich suche heute noch nach versteckten Kameras, obwohl ich seit Jahren alleine lebe und niemand ohne meine Anwesenheit Zutritt zu meiner Wohnung hat. Es ist die reinste Qual.»

Heimlich beim Sex gefilmt

Auch Lijana S. aus der Innerschweiz erzählt von jahrelangen Depressionen und Suizidgedanken. Bis sie wieder ein normales Leben führen konnte, habe es rund sieben Jahre gedauert, sagt sie. Der Vorfall ereignete sich, als sie 18 war, heute ist sie 30.

Bei ihr war es nicht der Freund, sondern ein guter Bekannter, mit ihm und einem weiteren Mann hatte sie Sex zu dritt. Dass gefilmt wurde, merkte sie nicht. Sie erfuhr es später von einer Bekannten. Damals arbeitete sie im Service und wurde auch von Gästen darauf angesprochen. «Es war schrecklich. Die Stadt ist nicht so gross, man kennt sich.» Lijana wollte zur Polizei gehen, doch die beiden Männer hätten sie bedroht. «Wir überfahren dich, sagten sie.»

Der Tiefpunkt war eine spätere Beziehung, in der ihr Freund abrupt den Kontakt zu ihr abbrach. Als sie nach dem Grund fragte, erzählte er von dem Video, das ihm jemand gezeigt hat. Lijana holte sich Hilfe bei einer Psychologin, «und ich hatte zum Glück gute Freunde, die zu mir hielten». Auch dank ihnen hat sie die Zeit überstanden. Heute geht es ihr gut. 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Stalking betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143


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