65 Prozent Nein-Stimmen: «Das tue ich mir nicht an» – Swiss-Mitarbeiter erwägt nach GAV-Nein Kündigung

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65 Prozent Nein-Stimmen«Das tue ich mir nicht an» – Swiss-Mitarbeiter erwägt nach GAV-Nein Kündigung

Beim Kabinenpersonal der Swiss brodelte es seit Wochen, weil ein Teil des Personals mit dem neuen Gesamtarbeitsvertrag nicht einverstanden war. Jetzt hat das Personal den GAV klar versenkt.

Darum gehts

  • Das Kabinenpersonal der Swiss ist nicht zufrieden mit dem neuen Gesamtarbeitsvertrag. 

  • 20 Minuten weiss: 65 Prozent des Personals haben mit Nein gestimmt. 

  • Die Gewerkschaft kapers hatte sich zuvor für das harte Ringen um einen guten GAV gefeiert. 

  • Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. 

Beim Kabinenpersonal der Swiss hat es seit Wochen gebrodelt. 20 Minuten sprach im Januar mit sieben Mitarbeitenden, die sich alle negativ zum neuen GAV geäussert hatten. Die Abstimmungsfrist lief am Sonntag ab. Jetzt ist klar: 65 Prozent des Personals lehnen den neuen GAV ab. 

In einer internen Nachricht an das Personal, die 20 Minuten vorliegt, schreibt das Human Resources der Swiss: «Der GAV23 wurde in der Abstimmung mit 65 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Die Stimmbeteiligung lag bei 89,9 Prozent. Wir bedauern die Ablehnung des GAV ausserordentlich. In den kommenden Wochen werden wir das Abstimmungsergebnis analysieren und über das weitere Vorgehen entscheiden.» 

Die Gewerkschaft kapers verschickte am Montagnachmittag eine knappe Medienmitteilung. Darin heisst es: «Nach einem teilweise hart geführten Abstimmungskampf ist die Abstimmung am 20. Februar 2023 beendet. Mit 65 Prozent Nein- zu 35 Prozent Ja-Stimmen wurde der GAV23 sehr deutlich abgelehnt. Die hohe Stimmbeteiligung von knapp 90 Prozent zeugt von der grossen Bedeutung dieser Abstimmung.»

«Katastrophale Zustände» 

Der Entscheid stösst dem Kabinenpersonal sauer auf. Der 22-jährige S.L.* ist erst seit kurzem Flight-Attendant bei der Swiss. «Nach dem Nein muss ich mir überlegen, ob ich der Fliegerei gänzlich den Rücken kehre. Ich verdiene jetzt weiterhin 3400 Franken im Monat. Es war schon zuvor klar, dass etwas passieren muss. Aber jetzt sind die Zustände katastrophal. Es ist erschreckend, dass wir trotz massiven Preissteigerungen überall keine Lohnerhöhung bekommen und der alte GAV bis ins Frühjahr 2024 weiterlaufen wird.» 

L. wusste von den Diskussionen um den GAV, hat aber nicht damit gerechnet, dass er abgelehnt wird. «Die Swiss bringt es einfach nicht hin, den Einsteigern anständige Löhne zu bezahlen. Klar, fände ich es auch nicht gut, wenn ich schon seit 20 Jahren dort arbeite und dann nur 250 Franken Lohn mehr kriege. Doch so einen Einstiegslohn zu haben und das im Jahr 2023, ist einfach unter aller Sau.» Letztlich habe ein Generationenkonflikt für die Ablehnung des GAV gesorgt. «Die älteren Mitarbeitenden, die einen Lohn haben, von dem sie leben können, haben Stimmung gemacht wegen des GAV, der vor allem Neueinsteiger bessergestellt hätte. Vom Nein hat jetzt  niemand etwas.»  

Personal mit mehr Dienstjahren freut sich

«Ich glaube, die Stimmung ist gigantisch, weil sich die meisten so über den GAV23 aufgeregt haben», sagt die 39-jährige Maître de Cabine G.L. «Jetzt spüren wir den Zusammenhalt, den wir zumindest noch untereinander in den Crews haben.» Sie hätten auf jedem Flug viel über den neuen GAV geredet und den Jungen versucht zu erklären, wieso es nicht gut sei, diesen anzunehmen.

«Das zeigt nun, dass wir uns nicht einfach alles gefallen lassen.» Sie habe endlich aufatmen können, als der GAV abgelehnt wurde. Den Vertrag, den sie jetzt hätten, finde L. okay: «Lieber mit all den Richtlinien wie gehabt weitermachen, statt mit dem neuen GAV», sagt sie. «Ich bin echt stolz auf meine Kollegen, dass sie alle an einem Strang ziehen mit mir», so L.

Jetzt gilt weiter der alte GAV

Auch die Gewerkschaft kapers, die den neuen GAV mit der Swiss ausgehandelt hatte, muss die Niederlage akzeptieren. «Mit 65 Prozent Nein ist das Resultat äusserst deutlich», sagt Sprecher Jörg Berlinger gegenüber 20 Minuten. Die kapers habe die Interessen der Mitglieder vor dem Start der Verhandlungen in Umfragen ermittelt.

Einige der wichtigsten Ziele, die die kapers seit Jahrzehnten verfolge, hätten mit dem GAV23 verwirklicht werden können, so Berlinger. «Wir werden das Resultat und die genauen Gründe für die Ablehnung analysieren müssen», sagt er. Spielraum für weitere Verhandlungen werde zwischen den Sozialpartnern sicher ein Thema sein. «Jetzt gilt es, das Sägemehl abzuklopfen und das Beste aus dem Nein zu machen», sagt Berlinger.

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