Skigebiete wehren sich gegen Lockdown-Forderungen

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Ansturm auf SkigebieteSkigebiete wehren sich gegen Lockdown-Forderungen

Vor den Bergbahnen bildeten sich am Samstag in mehreren Skigebieten lange Schlangen, sodass die Gäste den Abstand teilweise nicht mehr einhalten konnten. Stimmen mit Lockdown-Forderungen werden laut.

Etwa im Skigebiet Flumserberg bildeten sich am Samstag vor den Bergbahnen lange Schlangen.

Darum gehts

  • Etwa in den Flumserbergen und im Hoch Ybrig drängten sich Skigäste vor den Bergbahnen.

  • «Ich empfehle dem Bundesrat die Skigebiete schweizweit zu schliessen», sagt Raphael Zimmerli von der Jungen Mitte.

  • Infektiologe Christian Garzoni hält die offenen Skigebiete für fragwürdig.

  • Um einen Lockdown zu verhindern, wollen die Skigebiete auf einen allfälligen nächsten Ansturm besser vorbereitet sein.

Scharenweise pilgerten Wintersportler am Wochenende wegen des Neuschnees und des schönen Wetters in die Skigebiete. Bereits um 8.30 Uhr standen Gäste am Samstag im Hoch-Ybrig SZ vor den Bergbahnen Schlange. In Flumserberg SG war der Ansturm so gross, dass die Bergbahnen den Ticketverkauf einstellten. Anstehen mussten die Gäste am Samstag auch in Melchsee-Frutt OW, in Adelboden BE oder in der Lenzerheide GR.

«Ausnahmen machen Massnahmen unglaubwürdig»

In der Politik werden nach dem Wochenend-Ansturm bei Bilderbuchwetter Stimmen laut, die sich für eine Schliessung der Skigebiete starkmachen. «Ich empfehle dem Bundesrat die Skigebiete schweizweit zu schliessen», twitterte Raphael Zimmerli von der Jungen Mitte. Die Fünf-Personen-Regel müsse konsequent auf allen Ebenen durchgesetzt werden.

«Ausnahmen machen die Massnahmen unglaubwürdig und inkonsequent», sagt Zimmerli zu 20 Minuten. Umso wichtiger seien geschlossene Skigebiete angesichts der Mutation des Virus. «Die Mutation kam unter anderem wegen der geöffneten Skigebiete durch Touristen in die Schweiz.»

Distanzhalten gerate ausser Kontrolle

Auch Epidemiologen sind skeptisch. Auf den Fotos, die er von den Skigebieten am Wochenende gesehen habe, seien die Abstände nicht eingehalten worden, sagt Christian Garzoni, Infektiologe am Moncucco-Spital in Lugano. «Es ist klar: Sobald viele Menschen einen Ort ohne konkretes Verhalten besuchen, besteht die Gefahr, dass das Distanzhalten ausser Kontrolle gerät und sich das Virus überträgt.»

Garzoni hält daher für fragwürdig, dass die Skigebiete im Gegensatz zu anderen ebenfalls im Freien ausgeübten Sporten noch offen bleiben dürfen. Da sich die Warteschlangen jedoch an der freien Luft und nicht in einem Innenraum gebildet hätten, sei das Ansteckungsrisiko immerhin geringer. «Aber nur solange die Abstände eingehalten werden.» Die Verantwortung liege immer bei jeder einzelnen Person.

Mehr Kontrollpersonal gefordert

Die Skigebiete üben Selbstkritik. Berno Stoffel, Direktor von Seilbahnen Schweiz, sieht noch Verbesserungspotenzial. «Es passiert sehr schnell, dass plötzlich viele Gäste Schlange stehen», sagt er. Damit die Abstände konsequent eingehalten würden, müssten einige Skigebiete mehr sofort einsatzbereites Kontrollpersonal haben. «Markierungen alleine reichen nicht.»

Um Schlangen zu vermeiden, sieht Stoffel Online-Ticketverkäufe grundsätzlich als Option. «Für viele Bergbahnen ist dies technisch jedoch nicht umsetzbar.» Dass der Teil-Lockdown und die baldigen Sportferien für noch längere Schlangen vor den Bergbahnen sorgen werden, glaubt Stoffel nicht. «Die ausländischen Gäste fallen weg.» Zudem habe sich die Zahl der Gäste vor den Bahnen «ausnahmsweise» konzentriert. «Am Samstag stimmte alles für einen perfekten Wintertag, was mehr Unterländer als üblich in die Skigebiete lockte.»

Eingestellter Ticketverkauf

Auch Heinrich Michel, CEO der Bergbahnen Flumserberg, spricht von einer «extremen Situation» am Samstag. Die Verantwortlichen hätten auf den Andrang jedoch umgehend reagiert. «Gäste liessen wir an der Bahnstation Unterterzen gar nicht mehr aussteigen, zudem sperrten wir die Zufahrten zum Skigebiet.» Sobald sich ein Andrang ankündige, werde man künftig den Ticketverkauf einstellen.

Im Hoch Ybrig seien die Abstände trotz der Schlangen eingehalten worden, sagt Wendelin Keller, Verwaltungsratspräsident des Ferien- und Sportzentrums Hoch Ybrig. Die Feuerwehr und die Skischulen seien im Einsatz gewesen, um die Abstände zu kontrollieren. «Damit es keine weiteren Ansammlungen vor den Bahnen gab, hielten wir zudem die Autos auf.»

In der aktuellen Saison hätten sie 4000 Saisonkarten verkauft. «Ansteckungen von Gästen sind uns bis jetzt keine bekannt», sagt Keller. Solange die Restaurants in den Skigebieten geschlossen blieben, sehe er bezüglich Ansteckungsgefahr kein Problem.

Bilder von Gedränge seien Momentaufnahmen

Für Marcus Caduff, Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements im Kanton Graubünden, steht die Schliessung von Skigebieten nicht zur Debatte, sofern sich die epidemiologische Lage aufgrund des mutierten Virus nicht drastisch verschlechtert. «Wir haben über die Festtage gezeigt, dass Skigebiete keine Ansteckungsorte sind», so der Regierungsrat. Graubünden verzeichne seit Ende Dezember einen rückläufigen R-Wert sowie seit Mitte Dezember rückläufige Fallzahlen.

Die Bilder vom Wochenende seien Momentaufnahmen, die man genauso im ÖV oder in Innenstädten sehen könne, sagt Caduff. «Zum Andrang vor gewissen Bergbahnen kam es am Wochenende im Bündnerland vor allem, weil einige Pisten wegen des Neuschnees noch geschlossen waren und ausserordentlich viele Gäste anreisten.» Sollte sich eine solche Situation erneut ankünden, würden die Kapazitäten beschränkt.

Das sagen die Behörden

Menschenansammlungen sind für den Kampf gegen das Coronavirus Gift. Im Moment sei es richtig, dass die Skigebiete offen seien, aber es brauche Flexibilität, sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd noch am Samstag zu «CH-Media». Je nach Entwicklung könnte eine Schliessung nötig werden.
Lukas Engelberger, Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), sagt zu 20 Minuten, er könnte sich vorstellen, dass nach dem Schneefall auch tiefer gelegene Skigebiete besser frequentiert worden seien. Diese hätten noch weniger Gelegenheiten gehabt, die Schutzkonzepte im Betrieb zu testen. «Beim Skifahren ist man draussen, das ist ein Vorteil. Aber die Skigebiete müssen sicher aufpassen.» Es sei in ihrem Interesse, die Schutzkonzepte konsequent umzusetzen, auch hinsichtlich der Skiferien. «Denn sie wären wohl die nächsten, die schliessen müssten.»
Yann Hulmann, Mediensprecher beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), sagt, der Bund beobachte die Situation. «Allfällige Massnahmen in den Skigebieten liegen aber grundsätzlich und in erster Linie in der Kompetenz der Kantone.»

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