Schulden wegen Lebensmitteln – «Manchmal verzichte ich aufs Essen»

Aktualisiert

Die Community sprichtSchulden wegen Lebensmitteln – «Manchmal verzichte ich aufs Essen»

Die steigenden Lebensmittelpreise setzen auch der 20-Minuten-Community zu. Fünf Betroffene sagen, wie sie sich jetzt einschränken.

Lebensmittel sind zum Teil deutlich teurer geworden. So erlebt die 20-Minuten-Community die Preissteigerungen.

Lebensmittel sind zum Teil deutlich teurer geworden. So erlebt die 20-Minuten-Community die Preissteigerungen.

20min/Michael Scherrer

Inflation: Darum gehts

  • Die Inflation sorgt nun schon bei Lebensmitteln für Schulden.

  • Von der 20-Minuten-Community hungern nun manche, andere essen tagelang Spaghetti.

  • José verzichtet an manchen Tagen auf Fleisch.

Manche Lebensmittel sind deutlich teurer geworden. Vor allem Billiglinien wie M-Budget oder Prix Garantie kosten teilweise über 20 Prozent mehr. Dadurch sind laut Caritas vor allem die Ärmsten betroffen.

Es kommen zunehmend Menschen in die Caritas-Beratung, die ihre Nahrungsmittel mit Kreditkarte bezahlen, weil sie nicht genug im Portemonnaie haben. «Sie verschulden sich, um essen zu können», sagt Aline Masé, Leiterin der Fachstelle Sozialpolitik bei der Caritas. Private Betreibungsfälle nahmen deutlich zu.

Auch in der 20-Minuten-Community trifft der Preisanstieg bei Lebensmitteln viele hart. Im Gespräch mit 20 Minuten sagen Betroffene, welche Einschränkungen sie jetzt haben:

«Zum Glück arbeite ich in der Gastronomie, sonst hätte ich nichts»

Viktor* (30): «Nach Abzug aller Kosten bleiben mir Ende Monat höchstens 100 Franken übrig oder ich habe noch mehr Schulden. Zum Glück arbeite ich in der Gastronomie und kann dort gratis essen und am Abend Lebensmittel mitnehmen, sonst hätte ich nichts. Ich kann mir kein Essen mehr leisten, weil alles teurer wird. Ich ziehe jetzt in einen anderen Kanton, dann dauert mein Arbeitsweg 50 statt 15 Minuten, aber dafür ist die Wohnung 1000 Franken günstiger. Ich leiste mir nur mein Abendstudium. Sonst verzichte ich auf alles. Ich würde gerne wieder einmal surfen gehen, das ist mein Sport.»

«Oft gibt es drei Tage Spaghetti mit Ketchup»

Thomas* (38): «Ich bekomme 3100 Franken IV-Rente. Eine Angleichung an die Teuerung gab es bisher nicht. Wenn ich alle Fixkosten bezahlt habe, bleiben mir noch etwa 1500 Franken übrig. Ich habe Mühe, über die Runden zu kommen. Wenn ich mir Kleider kaufe, dann fehlt es beim Essen. Oft gibt es Ende Monat drei Tage Spaghetti mit Ketchup. Ferien liegen so nicht drin. Schulden habe ich zum Glück nicht, aber manchmal leihe ich mir etwas von meiner Mutter, das sie dann nicht zurückverlangt.»

«Selbst Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln sind jetzt so teuer»

Marc* (50): «Ich habe eine sehr gute Ausbildung und Lohn, aber bin geschieden und zahle 2500 Franken Alimente für die Kinder. Das Haus überliess ich meiner Ex-Frau. Ich habe erst wenig Schulden, aber es ist kaum noch zu tragen. Oft konnte ich mit Kartoffeln eine Woche durchkommen, mit Rösti oder einem Auflauf. Aber selbst solche Grundnahrungsmittel sind jetzt so teuer. Das ist kein Luxus. Das schlägt auf die Gesundheit. Manchmal esse ich Ende Monat nichts mehr, weil sonst die Schulden steigen. Ich habe mir jetzt ein Balkonkraftwerk installiert und kann so immerhin ein Viertel meines Stromverbrauchs selber produzieren.»

«Wie sollen wir weiter unsere Kinder ernähren?»

Martina* (30): «Alles wird teurer. Die Wohnungen, die Versicherungen, das Essen. Man geht nur noch arbeiten, damit man die Rechnungen bezahlen kann und dann reicht es nur knapp für den Lebensunterhalt. Wo soll das noch hinführen? Wie sollen wir weiter unsere Kinder ernähren? Mal einen schönen Ausflug mit dem Kind unternehmen? Das ist unmöglich, das kostet zu viel.»

«Wir kaufen jetzt ganze Poulets und verwerten jedes Stück»

José* (35): «Ich bin Student und arbeite 70 Prozent. Meine Frau ist Ausländerin und kann nur einen Teilzeitjob wahrnehmen. Deshalb haben wir ein kleines Budget und die steigenden Lebensmittelpreise schränken uns ein. Wir vergleichen jetzt die Preise in allen Läden und schlagen bei Aktionen zu. Das Essen frieren wir dann ein. Dafür habe ich mir extra eine Gefriertruhe gekauft. Wir kaufen jetzt auch ganze Poulets und verwerten jedes Stück, aus den Knochen machen wir eine Brühe. Wir kochen mehrere Tage pro Woche vegetarisch und lassen uns von der indischen Küche inspirieren. Was uns aber mehr einschränkt als das Essen, sind die horrenden Versicherungs- und Arztkosten.

Preisüberwacher plant Kaufkraftgipfel

Die Preisentwicklung im Lebensmittelbereich sei bedauerlich, sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans im Interview mit dem «SonntagsBlick». Die grossen Unternehmen hätten ihre Margen erhöhen und ihre Preise durchsetzen können, kritisiert er. Es brauche einen stärkeren Konsumentenschutz und ein neues Wettbewerbsrecht. Die entsprechenden Organisationen hätten zwar einen verfassungsgemässen Auftrag, erhielten aber fast kein Geld. Im September wolle er mit den Konsumentenschutz-Organisationen einen Kaufkraftgipfel durchführen, bei dem es um die Preisentwicklung und die Rolle der Unternehmen gehe. Dazu gehörten auch staatsnahe Unternehmen wie die Post und die SBB. «Der Staat sollte sich jetzt auf breiter Front zurückhalten», sagt Meierhans.

*Vollständige Namen der Redaktion bekannt

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

Deine Meinung

738 Kommentare