Berner Reitschule: Polizei wollte in die Reithalle – Staatsanwalt pfiff sie zurück

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Berner ReitschulePolizei wollte in die Reithalle – Staatsanwalt pfiff sie zurück

Die Kapo Bern wollte im Oktober 2021 in die Reitschule eindringen, doch der Staatsanwalt erlaubte den Zugriff nicht. Nun ist bekannt geworden, warum. 

Darum gehts

  • Am 23. Oktober 2021 umstellte die Polizei die Reitschule mit einem Grossaufgebot, um eine Razzia durchzuführen.

  • Der diensthabende Staatsanwalt verweigerte jedoch den Zugriff.

  • Zwei SVP-Stadträte klagten gegen diesen Beschluss. Die Anzeige wurde nun abgewiesen. 

Am 23. Oktober 2021 umstellte die Polizei die Reitschule mit einem Grossaufgebot, um eine Razzia durchzuführen. Eine Dreiviertelstunde zuvor hatten Vermummte aus der Reitschule ein Fahrzeug mit Steinen beworfen, in dem sich Teilnehmende einer bewilligten Kundgebung gegen die Corona-Massnahmen befanden. Auch eine Polizeipatrouille, die zufällig anwesend war, wurde angegriffen. Danach flüchteten die Täterinnen und Täter zurück in die Reitschule.

Weil das Eingangstor zur Anlage hätte aufgebrochen werden müssen, beantragte die Einsatzleitung bei der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl. Der diensthabende Staatsanwalt verweigerte jedoch den Zugriff, worauf die Polizei die Umstellung auflöste. Zwei SVP-Stadträte reichten gegen den Staatsanwalt Anzeige wegen Begünstigung ein. Diese wurde von der Staatsanwaltschaft für besondere Aufgaben nun abgewiesen, wie die «Berner Zeitung» unter Berufung auf eine ihr vorliegende Verfügung berichtet. 

«Nicht angemessen und verhältnismässig»

Demnach stützt die untersuchende Behörde die Sicht des Staatsanwalts. Er hatte etwa argumentiert, dass man die auf der Schützenmatte sichergestellten Steine nicht mehr den Tätern oder Täterinnen hätte zuweisen können, weil diese Handschuhe trugen. Zudem ging der Staatsanwalt davon aus, dass die Chaoten ihre Kleider schnellstmöglich entsorgen würden. Tatsächlich wurden laut Polizeirapport im Inneren der Reitschule Gegenstände verbrannt. Die untersuchende Behörde fügt hinzu, dass eine erkennungsdienstliche Erfassung aller in der Reitschule anwesenden Personen «aufgrund der gesetzlichen Vorgaben sicher nicht angemessen bzw. verhältnismässig gewesen» wäre. 

Stadtrat Alexander Feuz, der die Anzeige eingereicht hatte, kritisiert gegenüber der «Berner Zeitung» den Beschluss: «Auch die Justiz kapituliert de facto vor dem rechtsfreien Raum Reithalle.» Andernorts, glaubt Feuz, wären Polizei und Staatsanwaltschaft nicht so zurückhaltend gewesen. 

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Experte stützt Argumentation

«Wäre der Vorfall bei einer anderen Lokalität passiert, hätten wir unter diesen Umständen auch dort einen Durchsuchungsbefehl beantragt», sagt Manuel Willi, Leiter der Regionalpolizei Bern, gegenüber der «Berner Zeitung». Es sei zudem nicht der Fall, dass die Polizei sich vollkommen aus der Reitschule fernhalte. Mutmassliche Straftäterinnen und Straftäter würden immer wieder angehalten, nachdem sie sich in die Reitschule zurückgezogen hätten. Anders sehe die Situation bei «Mord und Totschlag» aus. «Dann würden für die unmittelbare Anhaltung der Täterschaft grössere Risiken für Unbeteiligte eingegangen.» Dies auch, um weitere Gefahren abzuwenden. 

Jonas Weber, Strafrechtsprofessor an der Universität Bern, erachtet das Untersuchungsergebnis als «fundiert und plausibel». Er vergleicht die Situation mit Fussballveranstaltungen: «Kommt es in Fankurven zu Sachbeschädigung oder zum Zünden von Pyros, so schreiten die Einsatzkräfte auch dort aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht ein.» Dass eine Razzia für die Polizei am 23. Oktober hätte positiv ausgehen können, glaubt Weber nicht: «Bei derart vagen Erfolgsaussichten kann eine Hausdurchsuchung schnell einmal in einem Fiasko enden.» 

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