Offene Fragen nach dem Bootsunglück mit Geheimagenten

Publiziert

Lago MaggioreNach Bootsunglück mit Geheimagenten – «man trifft sich am liebsten informell»

Anlässlich einer Geburtstagsfeier sollen sich Agenten des italienischen und israelischen Nachrichtendienstes auf einem Boot auf dem Lago Maggiore getroffen haben. Der Ausflug endete tödlich – und wirft Fragen auf.  

gux
von
gux

Bergung des Unglücksboots auf dem Lago Maggiore. 

Darum gehts

  • Nach dem Bootsunglück auf dem Lago Maggiore reissen die Spekulationen nicht ab. 

  • Das verwundert nicht: Von insgesamt 23 Personen waren 21 Geheimdienstagenten aus Italien und Israel an Bord. 

  • Drei von ihnen sowie die russische Ehefrau des Skippers verloren ihr Leben.

  • Anlass für den Bootsausflug soll eine Geburtstagsfeier der Agenten gewesen sein. 

  • Ist das plausibel? Wir haben einen Geheimdienstexperten gefragt. 

Nach einem tödlichen Bootsunglück auf dem Lago Maggiore bestätigt der israelische Geheimdienst nun offiziell: Ein ehemaliger Mossad-Mitarbeiter ist unter den vier Todesopfern. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte im Namen des Mossads mit, die Leiche des namentlich nicht genannten Ex-Agenten sei für die Beisetzung nach Israel gebracht worden. 

Aufgrund der Arbeit des früheren Agenten könnten keine weiteren Details bekannt gegeben werden. Italienischen Medien zufolge handelt es sich dabei um Shimoni Erez (53), mittlerweile offenbar pensioniert.

«Das ist eigentlich gar nicht so überraschend»

Das Unglück bei Lisanze wirft Fragen auf, zumal sich auf dem Boot ausschliesslich Passagiere befanden, die für den italienischen und israelischen Nachrichtendienst arbeiten oder gearbeitet hatten. Der Anlass des Treffens soll der Geburtstag eines der israelischen Agenten gewesen sein, der den Schiffbruch überlebte. 

Eine private Feier unter internationalen Geheimagenten? «Das ist eigentlich gar nicht so überraschend», sagt der österreichische Historiker und Geheimdienstexperte Thomas Riegler zu 20 Minuten und verweist auf den Umstand, dass etwa der deutsche Nachrichtendienst die ausländischen Kollegen aufs Oktoberfest einlade. 

«Das Nachrichtendienst-Geschäft lebt ja von den persönlichen Beziehungen zwischen den Akteuren. So wird Vertrauen aufgebaut. Und man trifft sich sowieso am liebsten informell», so Riegler. «Das gilt übrigens auch für pensionierte Mitarbeiter – ‹einmal Geheimdienst, immer Geheimdienst› lautet ein Sprichwort.» Und doch hält auch er fest: «Die Angelegenheit ist mysteriös.»

«Anya betete in der Kabine»

Der Unglücksskipper Claudio Carminati mit seiner Frau Anya.

Der Unglücksskipper Claudio Carminati mit seiner Frau Anya.

Facebook

Der Skipper und Eigentümer des Unglücksschiffs, Claudio Carminati (60), soll ebenfalls Kontakte zu Geheimdienstlern gehabt haben. Erst vor kurzem habe er mit seiner Frau Anya Bozhkowa (50) die Firma «Love Lake» gegründet, die unter anderem Bootsausflüge organisierte. Die Russin aus Brjansk überlebte ebenfalls nicht. 

Anya habe nicht schwimmen können, sagte Skipper Carminati zu «Corriere della Sera». Sie habe deswegen in der Kabine Zuflucht gesucht, als der Sturm mit Böen von bis zu 100 km/h das Boot erfasste. «Sie hat gebetet», sagte er.

Carminati weist jede Verantwortung von sich: Das Unwetter sei aus dem Nichts gekommen, es habe keine Wettervorwarnung gegeben. Die Polizei prüft diese Aussagen. Sicher scheint, dass das Schiff, eigentlich für 15 Passagiere vorgesehen, mit 23 Personen überladen war.

Auffallend schnell weg

Die Spekulationen reissen jedenfalls nicht ab – was auch damit zu tun hat, dass die israelischen Geheimdienstmitarbeitenden nach ihrer Rettung mit einem Privatjet unverzüglich ausgeflogen wurden. Auch die überlebenden Italiener sollen nach ihrer Einvernahme durch die Polizei verdächtig rasch von der Bildfläche verschwunden sein.

Auch deswegen vermuten einige Medien nicht eine Feier, sondern ein informelles Arbeitstreffen zwischen Agenten beider Länder, deren Tätigkeiten nun möglichst verwischt werden sollen. So mutmasst die deutsche «Bild», dass es auf dem Boot zu einem Austausch von geheimen Unterlagen gekommen sein könnte, nachdem sich die Gruppe mittags schon in einem Restaurant zusammengesetzt habe. Ein Reporter der Zeitung fand merkwürdig, dass Bergungstaucher am Dienstag an einer ganz anderen Stelle ins Wasser gingen als noch am Montag und dass die Bergungsarbeiten abgeschirmt worden seien.

Milano als Hub für Mossad-Agenten

Was an diesen Spekulationen dran ist, dürften wir nie erfahren. Interessant aber ist zumindest der Umstand, dass das gut eine Stunde von Lisanza entfernte Milano offenbar lange eine wichtige Basis für den Mossad war und möglicherweise noch immer ist. So schreibt der Journalist Eric Salerno, der sich mit den Tätigkeiten des Mossad in Italien beschäftigt: «Von Milano aus wurden einige der verdeckten Operationen gegen den Iran organisiert, um iranische Bemühungen zum Bau einer Atomwaffe zu blockieren.»

Mittlerweile sind auch die Namen der verstorbenen italienischen Geheimdienstlern bekannt: Tiziana Barnobi (53) und Claudio Alonzid (62) sollen gemäss italienischen Medien beide noch aktiv gewesen sein. Noch diese Woche sollen sie beerdigt werden. Claudio Alonzi wird in der ligurischen Gemeinde Altare bestattet, Tiziana Barnobi, die Mutter eines minderjährigen Sohnes, findet in der Kirche Sant’Anselmo all’Aventino in Rom die letzte Ruhe. 

Keine News mehr verpassen

Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.

Deine Meinung

6 Kommentare