Integrationskrise in Europa: Das sind die Gründe für den EU-Asylpakt

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MigrationIntegrationskrise in Europa: Das sind die Gründe für den EU-Asylpakt

Die EU zieht in der Asylpolitik die Schraube an. Auslöser dafür war die Migrationskrise der Jahre 2015 und 2016. Sie führte zu Integrationsschwierigkeiten und steigender Kriminalität.

Darum gehts

  • Am Mittwoch beschloss das EU-Parlament härtere Regeln im Umgang mit illegaler Migration.

  • Dem waren Jahre der Verunsicherung, des Streits und eine Migrations- und Integrationskrise in verschiedenen Ländern vorausgegangen.

  • Im Zuge dieser Krise erhielten rechte Parteien Aufwind und machten Druck auf die Regierungen, das Migrationsproblem zu lösen.

Mehr als 2,5 Millionen Menschen kamen in den Jahren 2015 und 2016 nach Europa und baten um Asyl. Die Flüchtlingskrise wurde in den darauffolgenden Jahren zu einer Integrationskrise und war Auslöser für europaweite Spannungen. Am Dienstag beschloss das EU-Parlament nach Jahren zähen Ringens die Annahme des Asylpakts.

Die hohen Asylzahlen seit 2015 führten in verschiedenen Ländern zu überlasteten Asylwesen. Zehntausende Migrantinnen und Migranten kamen etwa über die zentrale oder östliche Mittelmeerroute nach Europa. Sie stranden im wahrsten Sinne des Wortes in Italien und Griechenland.

Von Januar bis März 2024 sind rund 35'000 Asylsuchende illegal in Europa angekommen.

Von Januar bis März 2024 sind rund 35'000 Asylsuchende illegal in Europa angekommen.

20min/Jonathan Müller

Italien und Griechenland ächzen unter Flüchtlingsströmen

Beide Länder sind damit überfordert: Alleine vom Jahresbeginn bis zum Herbst 2023 kamen mehr als 140’000 Menschen in Italien an, fast doppelt so viele wie im Jahr 2022. Im April 2023 rief Italien den Asyl-Notstand aus. Ein Ziel des Asylpakts ist deshalb die Unterstützung dieser beiden Länder.

Die Überlastung der Asylwesen führten in mehreren europäischen Staaten zu Integrationsschwierigkeiten und gestiegener Kriminalität. Erst am Dienstag musste die deutsche Innenministerin Nancy Faeser zugeben: Deutschland hat ein Problem mit der Kriminalität, die von nicht deutschen Tatverdächtigen begangen wird.

Ajo Joshua (30) ist auf illegalem Weg von Nigeria nach Lampedusa gereist. Im September 2023 erzählte er 20 Minuten von einer langen, harten Flucht.

20min

Deutschland: Die gefühlte Unsicherheit steigt

Bei der Gesamtbevölkerung stieg die Anzahl von Gewaltdelikten 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent – die Anzahl an Gewaltdelikten, die von Migranten begangen wurden, sogar um 14,5 Prozent. Bei Delikten wie Raub und Diebstahl war der Anstieg noch höher: Er stieg bei Migranten um 22 Prozent.

Gleichzeitig nimmt das Sicherheitsgefühl in Deutschland ab. Die Initialzündung dafür war die Kölner Silvesternacht 2016: Damals kam es zu unzähligen sexuellen Übergriffen an Frauen, hauptsächlich begangen durch junge Männer aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum. Eine repräsentative Befragung im Januar 2024 hat gezeigt: Über die Hälfte der Deutschen fand, dass Deutschland in den letzten zwölf Monaten unsicherer geworden ist. Die Gründe: Extremismus, Ukraine-Krieg, Donald Trump. Aber auch Migration.

Europa rückt nach rechts

Weil sich die Diskussionen in der EU in die Länge zogen, stieg der politische und gesellschaftliche Druck in den Ländern. Rechtsparteien wie die deutsche AfD, die Fratelli d’Italia oder die Schwedendemokraten schreiben sich das Asyl-Thema auf die Fahne und erzielten damit bei der Wählerschaft grosse Erfolge. Eine der Wahlversprechen von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni war, die illegale Migration einzudämmen – bislang ohne Erfolg.

Manche Länder handelten unter diesem Druck auf eigene Faust: Dänemark etwa setzt auf Abschreckung und Abschottung. Es herrscht ein weitreichender politischer Konsens, möglichst wenig Asylbewerber ins Land zu lassen. Seit 2019 werden Aufenthaltsgenehmigungen für Flüchtlinge grundsätzlich befristet ausgestellt und werden nach Möglichkeit nicht verlängert oder widerrufen. Leistungen für Asylbewerber wurden gekürzt, Aufenthalts- und Meldepflichten verschärft, die Rückführung ins Herkunftsland erleichtert.

Länder reagieren: Dänemark siedelt Migranten um

Ab 2026 soll jetzt der Migrationspakt der EU wirksam werden. «Es ist uns gelungen, die politische Blockade zu beenden, die viele Jahre das Thema Migration gekennzeichnet hat. Jetzt kann die EU die Kontrolle über ihre Aussengrenzen zurückgewinnen, die Wirtschaftsmigration eindämmen und eine gemeinsame Migrationspolitik einführen, die gut funktioniert und auf Dauer angelegt ist», sagte der schwedische EU-Abgeordnete Thomas Tobé.

Ob die Massnahmen sich wirklich umsetzen lassen und wie gut sie funktionieren, wird sich ab 2026 zeigen. Politbeobachter glauben: Solange es der EU nicht gelingt, eine griffige Antwort auf die Migrationsproblematik zu finden, wird der Druck der Wählerschaft auf die Politik aufrechterhalten. Und damit wohl auch der Zustrom rechter Parteien.

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