Präsidentschaft von Frankreich – «Zum ersten Mal halte ich für möglich, dass Le Pen die Wahl gewinnen könnte»

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Präsidentschaft von Frankreich«Zum ersten Mal halte ich für möglich, dass Le Pen die Wahl gewinnen könnte»

Erstmals geben Politikexperten Marine Le Pen Chancen, Emmanuel Macron ausstechen zu können. Doch damit drohe Frankreich für die EU als Partner auszufallen, befürchtet Wissenschaftler Henrik Uterwedde.

Darum gehts

Marine Le Pen ist dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron dicht auf den Fersen. Am Sonntag steht die erste Wahlrunde um die französische Präsidentschaft an. Umfragen zufolge ist Macrons Vorsprung gegenüber der rechtspopulistischen Kandidatin auf wenige Prozentpunkte geschrumpft. Erreicht am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit, folgt eine Stichwahl am 24. April. Damit käme es zwischen Macron und Le Pen wie bereits bei den Präsidentschaftswahlen 2017 zum Duell.

«Zum ersten Mal halte ich für möglich, dass Marine Le Pen die Präsidentschaftswahl gewinnen könnte», sagt Henrik Uterwedde, assoziierter Wissenschaftler am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg. In seiner fünfjährigen Amtszeit habe Macron zwar Reformpolitik mit einigen wirtschaftlichen Erfolgen betrieben. «Mit seiner Arroganz hat er aber auch grosse Teile der französischen Bevölkerung verunsichert und gegen sich aufgebracht.»

Macron habe einen einsamen und herablassenden Regierungsstil gepflegt, sagt Uterwedde. «Wenn ein Präsident fünf Jahre auf diese Weise regiert, kriegt er bei den nächsten Wahlen die Rechnung dafür.» Ein starker Warnschuss seien die Gelbwesten-Proteste gewesen. Schaffe Macron die Wiederwahl erneut, werde ihm dies nur knapp gelingen.

«Zentrale Vorhaben der EU blockieren»

Im Zuge des Ukraine-Kriegs starten die nächsten fünf Präsidial-Jahre in einer heiklen Phase. «Ich will mir gar nicht ausmalen, wie die EU mit einer Marine Le Pen an Frankreichs Spitze mit Russland umgeht», sagt Uterwedde. Le Pen gilt als Putin-nahe. 2017 finanzierte sie ihren Wahlkampf mit dem Kredit einer russischen Bank. Kürzlich sorgte sie für Schlagzeilen, weil sie Wahlbroschüren einstampfen liess, auf denen sie an der Seite von Kremlchef Wladimir Putin abgebildet war.

Für Uterwedde steht fest: «Le Pen wäre für die EU eine mittlere Katastrophe.» Frankreich drohe für die EU als verlässlicher und notwendiger Partner auszufallen. Le Pen verfolge einen nationalistischen Kurs, der den Präsidenten Ungarns und Polens, Viktor Orbán und Andrzej Duda, Auftrieb gebe. «Mit diesen Mitstreitern kann sie zentrale Vorhaben der EU blockieren.» Dabei sei gerade im Ukraine-Krieg eine geeinte EU wichtiger denn je.

Sprache sei gemässigter

Am Sonntag nimmt Marine Le Pen bereits den dritten Anlauf für das Amt als französische Staatspräsidentin. Die Tochter des Gründers des rechtsextremen Front National polarisierte während der Jahre stark. Le Pens wachsende Beliebtheit führt Henrik Uterwedde auf eine gemässigtere Sprache zurück. Er macht darauf aufmerksam, dass Le Pen den Front National in Rassemblement National umgetauft habe. Auch habe sie sich in den letzten fünf Jahren noch stärker vom Erbe ihres Vaters abgewendet, der mit antisemitischen und rechtsradikalen Äusserungen aufgefallen sei und ihre Rhetorik abgeschwächt. «Sie hat die Entdämonisierung des Front National geschafft und sich von den Auswüchsen ihres Vaters getrennt.»

Gleichzeitig profitierte die Nationalistin laut dem Wissenschaftler davon, dass sich Emmanuel Macron als «Präsident der Reichen» für viele Französinnen und Franzosen zu einem Hassobjekt entwickelt hat. «Marine Le Pen hat das Image der Anwältin der kleinen Leute.» Die Kaufkraft ist im Wahlkampf eines ihrer Hauptthemen. Le Pen setzt sich etwa für tiefere Mehrwertsteuern auf Energieprodukte und ein Rentenalter ab 60 Jahren bei vollen Bezügen ein.

Zugute kommt der Politikerin laut Uterwedde auch, dass Frankreich nach rechts gerückt ist. «Mittlerweile fühlt sich jeder dritte Franzose zu einem der beiden rechtsradikalen Kandidaten hingezogen.» Neben Le Pen bewirbt sich auch Éric Zemmour, Parteivorsitzender der rechtsextremen Partei «Recoonquête» um das Amt des Präsidenten.

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