Christine Antlanger-Winter, ist die Schweiz für Google zu teuer?

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Schweiz-Chefin exklusivFrau Antlanger-Winter, ist die Schweiz für Google zu teuer?

Entlassungen, KI-Chatbots, Leistungsschutzrecht: Die Google-Schweiz-Länderchefin Christine Antlanger-Winter (43) sagt im 20-Minuten-Interview, wie sie die Herausforderungen angehen will. Und welche ihre drei Führungsprinzipien sind.

Christine Antlanger-Winter: Darum gehts

  • 20 Minuten hat die Länderchefin von Google Schweiz zum grossen Interview getroffen.

  • Christine Antlanger-Winter spricht über die bevorstehende Entlassungswelle.

  • Ausserdem sagt die Österreicherin, weshalb Google den Medien kein Geld schulde.

Privat ist Christine Antlanger-Winter zwischen Zürich und ihrer Heimat Wien unterwegs. Beruflich jettet die Länderchefin von Google Schweiz zwischen Silicon Valley und Europaallee – und hat sich seit ihrem Wechsel von Österreich in die Schweiz an einen heiklen Balanceakt gewagt: Wie geht sie gleichzeitig eine Entlassungswelle, ein Standortjubiläum und die «vierte industrielle Revolution» an?

Frau Antlanger-Winter, welchen Suchbegriff geben Sie selbst auf Google am häufigsten ein?

(lacht) In letzter Zeit «Restaurants in Zürich». Meistens samstags, wenn ich mit meiner Familie kurzfristig etwas in der Stadt essen will.

Mit guten Ergebnissen?

Auf jeden Fall, Zürich ist eine tolle Stadt.

Sie sind vergangenen Frühling von Wien nach Zürich gezogen. Wo gefällts Ihnen besser?

Ich bin sehr gerne in Zürich und halte es für ein grosses Privileg, in zwei der lebenswertesten Städte der Welt unterwegs zu sein. Der See ist ganz klar ein Highlight. Und die Berge dahinter.

Klicken Sie auf Sponsored-Ads oder ignorieren Sie diese?

Ich finde mitunter in Sponsored-Ads oder Anzeigen die besten Suchergebnisse. Wenn ich ein Paar On-Schuhe kaufen möchte, dann bringt mich die Sponsored-Ad direkt dorthin.

Heute ist Zürich ein pulsierendes Tech-Zentrum.

Christine Antlanger-Winter, Länderchefin Google Schweiz

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus? Hauseigenes Barista-Café, dann Bälleli-Bad?

(lacht) Die Barista-Bar ist tatsächlich ein erster Fixpunkt. Dann ist der Tag geprägt von vielen Gesprächen mit Mitarbeitenden und den lokalen Partnern.

Der Zürcher Google-Standort feiert 2024 seinen 20. Geburtstag. Gestartet mit zwei Personen, sind es heute 5000 Mitarbeitende. Wie kam es zur rasanten Entwicklung?

Zürich mit seiner blühenden Tech-Szene und den renommierten Hochschulen bietet ein spannendes Umfeld. Wir haben mit unserer Präsenz auch wesentlich zur Entwicklung dieses Standorts beigetragen und weitere Firmen angezogen. Heute ist Zürich ein pulsierendes Tech-Zentrum.

«Entweder Oder»: 16 Kurze Fragen an Christine Antlanger-Winter im Video.

20min/Matthias Spicher

Und ohne Google wäre Zürich in Sachen Tech eine Steinwüste?

Nicht unbedingt. Aber wenn man Hubs in anderen Ländern anschaut, die nicht so aufblühen, wäre das sicherlich etwas, das man sich dort wünschen würde.

Es gibt auch Kritik an der Schweizer Google-Expansion. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran wirft Google vor, die besten Fachkräfte vom Markt zu nehmen, die Ideen im Haus zu behalten und so die Innovationskraft zu bremsen.

Wir sind vom Gegenteil überzeugt. Einerseits bietet unsere Kollaboration mit Hochschulen viele Möglichkeiten in beide Richtungen. Ob Forschungsprojekte oder PhD-Programme: Ideen und Erarbeitetes fliesst ja auch von Google in die Academia zurück.

... und andererseits?

Andererseits gibt es hier über 100 Unternehmen, die von ehemaligen Google-Mitarbeitern gegründet worden sind. Das sind über 1700 Arbeitsplätze, die weiter zu einem belebten Ökosystem beitragen.

Erfolgreiche Alumni von Google Schweiz

Letztes Jahr hat Google in Zürich rund 500 Jobs gestrichen. In einer nächsten Entlassungsrunde müssen mindestens weitere 250 gehen. Begründet wird dies mit strategischen Anpassungen auf globaler Ebene. Ist die Schweiz für Google zu teuer?

Das Ökosystem hier in Zürich schätzen wir sehr und es wird weiterhin eine gewisse Grösse und Wichtigkeit haben. Das wird so bleiben. Aber klar, wenn Reorganisationen auf globaler Ebene stattfinden, bleibt auch der Standort in der Schweiz nicht verschont, das ist eine ökonomische Realität. Wir sind in den vergangenen 20 Jahren stark gewachsen auf heute rund 5000 Mitarbeitende.

Also gibts in einem Jahr nicht den nächsten schrittweisen Abbau?

Es wird immer wieder Veränderungen geben, aber die finden prinzipiell auf globaler Ebene statt. Da haben wir in Zürich wenig Einfluss.

Themenwechsel. Lesen Sie eigentlich noch herkömmliche Medien – oder informieren Sie sich nur noch über Google Discover?

Ich lese gerne Print. Dank Google Discover aber stosse ich manchmal auf Inhalte oder Artikel, die über das normale Nachrichtenangebot hinausgehen.

Liest manchmal auch gerne Print-Medien: Christine Antlanger-Winter im Gespräch mit 20 Minuten.

Liest manchmal auch gerne Print-Medien: Christine Antlanger-Winter im Gespräch mit 20 Minuten.

20min/Matthias Spicher

Welche News-Apps haben Sie auf Ihrem Handy installiert?

NZZ, ORF.at und natürlich 20 Minuten. (lacht)

Worauf wir hinaus wollen: Die Google-Suchmaschine profitiert von journalistischen Inhalten. Diese führen zu zuverlässigen Antworten und erhöhen somit die Vollständigkeit, Glaubwürdigkeit und Attraktivität der Suchmaschine. Aus diesem Grund fordert der Verlegerverband Schweizer Medien von Google mindestens 154 Millionen Franken pro Jahr für die Branche. Wäre es nicht fair, würde Google Journalisten vergüten?

Wir haben unsere Position in der Vernehmlassung kommuniziert. Im Wesentlichen teilen wir die Erkenntnisse der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), welche das Institut für Geistiges Eigentum bzw. der Bundesrat in Auftrag gegeben haben: Die RFA hat erstens bestätigt, dass die Anzeige von Snippets Presseverlagen nicht schadet, sondern dass diese im Gegenteil finanziell erheblich davon profitieren; und zweitens, dass Online-Plattformen ihrerseits keine nennenswerten Gewinne im Zusammenhang mit Snippets erzielen. Deshalb teilen wir auch die Schlussfolgerung der RFA, dass das Leistungsschutzrecht nicht zweckmässig ist.

Aber Google profitiert doch auch von den Medien?

Ich finde, man muss den Blick diesbezüglich etwas weiten. Unsere Mission ist es, Informationen universal zugänglich und nützlich zu machen. Hierzu haben wir auch über viele Jahre mit Verlagshäusern konstruktiv zusammengearbeitet und bieten ihnen auch einen grossen Mehrwert.

Das ist das Leistungsschutzrecht

... und wenn es spezifisch um News geht?

Erstens betreffen nur rund zwei Prozent aller Suchanfragen News. Zweitens werden in der überwiegenden Mehrheit der Nachrichteninhalte, die wir anzeigen, keine Anzeigen geschaltet. Entsprechend verdienen wir auch kein Geld mit News. Drittens profitieren die Medienportale erheblich vom Traffic von Google, den sie direkt monetarisieren können.

Dennoch fliessen Werbegelder, die früher zu den Verlagshäusern geflossen sind, heute zu Google. Gemäss Kritikern gefährdet das den Fortbestand des Journalismus.

Der Werbemarkt hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren stark verändert. Wir sind überzeugt, dass unser Ökosystem eine gute und wichtige Rolle für die Verlagshäuser spielt.

Wie konsumierst du News?

Andere Länder haben bereits reagiert und ein Leistungsschutzgesetz ins Leben gerufen. Darunter Frankreich oder Australien. Nun hat auch der Bundesrat das Leistungsschutzrecht in die Vernehmlassung geschickt. Bereitet Ihnen das Bauchweh?

Ich habe Vertrauen, dass das Parlament sich eingehend und seriös mit der Vorlage befassen wird. Wir werden unsere Haltung wie in der Vernehmlassung konstruktiv einbringen.

Es gibt keine Branche, in der nicht über KI geredet wird. Was für eine Rolle spielt KI bei Google?

Wir sagen seit 2017, dass wir eine «AI first»-Firma sind und stellen künstliche Intelligenz ins Zentrum aller Entwicklungen, an denen wir arbeiten. KI ist die tiefgreifendste Technologie, die wir in unserer Generation sehen. Für uns als Gesellschaft ist KI die dritte Neuausrichtung der Digitalisierung nach dem Internet und der Verlagerung aufs Mobile.

Was bedeutet das konkret?

Wir bei Google stellen somit diesen «KI-Schritt», der viele neue Möglichkeiten bietet, ins Zentrum unseres Handelns – KI soll unsere Produkte für Nutzer und Nutzerinnen hilfreicher machen und effizienter für Unternehmen. Zu den aktuellsten Projekten zählt zum Beispiel die Anzeige der klimafreundlicheren Routenoption bei Google Maps. Zudem arbeiten wir etwa gemeinsam mit der Swiss an einem KI-Projekt. Mit der Technologie konnte die Fluggesellschaft in verschiedenen Bereichen ihre Produktivität steigern und innerhalb von einigen Wochen eine Million Franken einsparen.

Projekte von Google Schweiz mit KI

Inwiefern bedrohen KI-Chatbots wie ChatGPT das Geschäftsmodell einer Suchmaschine wie Google?

Wir sehen, dass generative KI-Chatbots wie Gemini den Nutzern und Nutzerinnen auf andere Weise hilfreich sein können als Suchmaschinen – daher sehen wir die zwei tatsächlich als komplementär. Generative KI-Tools sind stark bei kreativen Prozessen (z.B. Bildgenerierung oder auch beim Texten), während Suchmaschinen weiterhin relevante Informationen und Fakten liefern.

Wird es die klassische Suchmaschine in Zukunft überhaupt noch brauchen?

Unser Ziel ist es, die Informationen dieser Welt für alle nützlich und zugänglich zu machen. Dank der Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz können wir die Suche jetzt noch weiter optimieren. Die neuesten KI-Technologien schaffen völlig neue Möglichkeiten, mit Informationen umzugehen, von Sprache und Bildern bis hin zu Video und Audio.

Wechseln wir zum Thema Leadership. Sie haben ja eine eindrückliche Karriere hinter sich. Haben Sie das geplant?

Überhaupt nicht. (lacht) Mein persönlicher Zugang zu dieser Welt war rückblickend gesehen Offenheit für Neues. Ich hatte den Mut, etwas auszuprobieren, von dem ich nicht wusste, wohin es genau führen würde.

Was meinen Sie konkret?

Ich habe mich damals für ein Technologiestudium entschieden, weil ich etwas Neues ausprobieren wollte. Dabei hatte ich unglaublich Spass und habe eine Leidenschaft entwickelt.

Interview an der Zürcher Europaallee: Die Österreicherin setzt bei der Personalführung auf Empowerment, Kommunikation und Empathie.

Interview an der Zürcher Europaallee: Die Österreicherin setzt bei der Personalführung auf Empowerment, Kommunikation und Empathie.

20min/Matthias Spicher

Sie leiten einen Standort mit rund 5000 Menschen. Wenn man Sie googelt, sieht man Sie oft freundschaftlich, kollegial, menschlich. Ist das auch Ihr Führungsstil?

Das Suchergebnis scheint ganz gut zu sein. (lacht) Aber grundsätzlich passt das schon. Ich setze in Sachen Führung auf drei Säulen: Empowerment, bzw. Selbstverantwortung, Klarheit und Empathie.

Wie handhaben Sie einen beruflichen Konflikt?

Mit Zuhören und Lösungsorientiertheit. Es muss ja vorwärts gehen.

Nehmen Sie als Frau an der Spitze eine spezielle Vorbildfunktion ein?

Klar Versuche ich, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Etwa indem wir Frauen beim Einstieg in die Technologie-Welt aktiv unterstützen – aber auch darüber hinaus. Wir wollen jedem und jeder unabhängig von gesellschaftlichen Stereotypen Möglichkeiten geben, ihr volles Potenzial zu entfalten.

«30 Prozent der Belegschaft und der Führungskräfte sind weiblich.»

Christine Antlanger-Winter, Länderchefin Google Schweiz

Inwiefern zahlt sich das aus?

Wir sind bestrebt, den Frauenanteil auf allen Ebenen und Fachbereichen auszubauen. In der Region Europa, Mittlerer Osten und Asien sind 30 Prozent der Belegschaft und der Führungskräfte weiblich.

Dieses Jahr feiert Google Schweiz sein 20-jähriges Bestehen. Steigt ein grosses Fest?

Klar. Wir finden schon auch wichtig, dass die Leute immer wieder zusammenkommen. Was genau passieren wird, haben wir aber noch nicht festgelegt.

Zum Schluss noch zehn kurze Fragen, die Sie höchstens mit einem Satz beantworten dürfen.

  • Espresso oder Cappuccino? Espresso.

  • Zürich, Wien oder Silicon Valley? Zürich.

  • Googlen oder denken? Beides.

  • Google Maps oder Orientierungssinn? Google Maps.

  • Du oder Sie? Du.

  • Sneakers oder High Heels? Sneakers.

  • Büro oder Home Office? Büro.

  • Bälleli-Bad oder Wellness-Oase? Bälleli-Bad.

  • Kochen oder bestellen? Kochen.

  • Laptop oder Tablet? Laptop.

  • Work-Life-Balance oder Workaholic? Work-Life-Mix.

  • 4-Tage-Woche oder 5-Tage-Woche? 5-Tage-Woche.

  • Telefonieren oder Email-Schreiben? Video-Konferenz.

  • Zeitung lesen oder Google Discover? Beides.

  • Geld oder Ruhm? Ein gutes Leben.

  • Intelligenz oder Humor? Definitiv beides.

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