Antisemitismus-Bericht - Judenfeindliche Vorfälle haben massiv zugenommen

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Antisemitismus-BerichtJudenfeindliche Vorfälle haben massiv zugenommen

2021 hat sich die Zahl der Attacken gegen Juden auf über 800 beinahe verdoppelt. Die meisten davon registriert der neuste Antisemitismusbericht auf Telegram.

Darum gehts

Jüdinnen und Juden werden in der Schweiz vermehrt zur Zielscheibe. Vor allem im Onlinebereich haben antisemitische Äusserungen 2021 zugenommen. Dies zeigt der neue Antisemitismusbericht des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), der 20 Minuten vorliegt. Letztes Jahr hat sich die Zahl der Vorfälle beinahe verdoppelt – von 485 Vorfällen im Jahr 2020 auf 806 Vorfälle im Jahr 2021.

Zeitgenössische antisemitische Verschwörungstheorien machen die Hälfte aller Online-Vorfälle aus. Mit Abstand die meisten davon stammen vom Messengerdienst Telegram (61 Prozent). An zweiter Stelle folgt Twitter (28,2 Prozent). Auslöser ist in erster Linie die Pandemie.

Pandemie sei entscheidender Trigger

Bei teilweise mehreren Tausend Mitgliedern, die zwischen 100 und fast 1000 Nachrichten pro Tag absetzen, handelt es sich laut dem Bericht um eine im Verhältnis geringe Anzahl. Dennoch zeige der dieses Jahr noch höhere Anteil der Corona-bezogenen online registrierten Vorfälle, dass die Pandemie ein entscheidender Trigger sei und die «Corona-Rebellen» auch Personen mit zweifelhaftem Gedankengut anzögen.

Auch zählt das Berichtsjahr mehr Vorfälle (38), in denen Personen die Schoah leugneten oder banalisierten. So sei zum Beispiel bestritten worden, dass sechs Millionen Juden ermordet worden seien oder dass Vernichtungslager mit Gaskammern existierten.

Als Schoahbanalisierung kategorisieren der SIG und die GRA Kommentare und Posts mit geschmacklosen Witzen oder Aussagen. Diesen zufolge sind die Konzentrationslager «schon nicht so schlimm» gewesen. Zudem kommen immer wieder Sätze vor wie «Hitler hat leider seine Arbeit nicht fertigmachen können».

Unangebrachte Vergleiche

Als grosses und ernstzunehmendes Problem bezeichnen die Autoren die in dieser Szene häufig beobachteten, unangebrachten Vergleiche zum nationalsozialistischen Regime sowie zur Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung während der Schoah.

So kursierten in den Chats oder auf Demos etwa «Judensterne» mit der Aufschrift «ungeimpft» oder «Covid-Zertifikat». Auch Fotomontagen, die den Eingang eines Konzentrationslagers über dessen Tor «QR Code macht frei» prangte, verbreiteten Userinnen und User über Telegram. Der Bericht erfasst solche Vergleiche jedoch nicht als antisemitische Vorfälle, da diese von der Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance nicht erfasst würden.

Antisemitische Zusendungen

Auch in der realen Welt registriert der Bericht eine Zunahme von antisemitischen Vorfällen: 2021 waren es 53, und 2020 waren es 47. Vor allem antisemitische Zusendungen häufen sich. Darunter fallen auch Beschimpfungen und öffentlich getätigte Aussagen. Tätlichkeiten registriert der Bericht keine. «Da physische Kontakte in der Pandemie abnahmen, gab es wohl weniger tätliche Angriffe», sagt SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner.

Zu den gravierendsten Vorfällen in der realen Welt zählt der Bericht eine Sachbeschädigung. Mit einem scharfen Gegenstand wurden in die Eingangstür der Synagoge in Biel antisemitische Parolen und ein Hakenkreuz eingeritzt. Im Onlinebereich ereignete sich ein gravierender Vorfall, etwa, als im Januar zahlreiche Personen ein Zoom-Event der Jüdischen Liberalen Gemeinde (JLG) in Zürich mit Hitlerbildern und obszönen Schmierereien störten.

Im Berichtsjahr kam es durch Strafanzeigen des SIG oder der GRA zu sechs Verurteilungen von rechtsextremen und antisemitischen Personen. Dazu zählt etwa ein Aargauer, der in einem Tweet schrieb, dass zum Holocaust vieles erfunden sei und das meiste als «jüdische Geschichtsverdrehung» bezeichnete.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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