Krätze: Immer mehr Fälle in der Schweiz

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InfektionskrankheitKrätze auf dem Vormarsch: Vorwürfe gegen BAG werden laut

In der Schweiz häufen sich die Krätzefälle. Vor allem in Kitas und Asylzentren zirkuliert die Hauterkrankung. Die Schweiz scheint kaum darauf vorbereitet, das BAG wird aufgefordert zu handeln. 

Darum gehts

  • In der Schweiz kommt die Krätze wieder vermehrt vor.

  • Vor allem in Kitas und Pflegeheimen, auch in einer Kaserne sind Fälle bekannt.

  • Das Problem, so der Kinderbetreuungsverband Kibesuisse: Die Krankheit ist nicht meldepflichtig.

Krätze, gibt es das überhaupt noch? Die Krankheit ist für viele ein Relikt aus dem Mittelalter. Aktuell zeigt sich aber, dass Scabies, so der wissenschaftliche Name, innerhalb der Schweiz immer mehr zum Thema wird. Aktuelle Zahlen liegen zwar aufgrund der fehlenden Meldepflicht nicht vor, aber glaubt man Ärzten und auch Kitas, mehren sich die Fälle: So etwa in einigen Zürcher Kitas, in St. Galler Pflegeheimen oder in einer Kaserne in Gossau SG. Gleichzeitig scheint niemand ausreichend auf die Erkrankung vorbereitet zu sein.

«Ärzte kamen über Jahre kaum mit Krätze in Kontakt»

Auch Markus Theiler, leitender Arzt Dermatologie am Universitätskinderspital Zürich, stellt eine stetige Zunahme fest. Wie er gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt, geht er von «Tausenden Fällen aus». Zudem betont er, dass viele Ärztinnen und Ärzte in den letzten Jahrzehnten kaum mit der Krankheit in Kontakt gekommen seien. Das sei auch ein Grund dafür, weshalb es zu Fehldiagnosen komme.

Ein weiteres Problem: Die Krätzetherapien wirkten oft nicht richtig. Der Grund dafür sei, so Theiler, dass manche Milbenstämme Resistenzen gegen die Creme entwickelt hätten, die üblicherweise eingesetzt werde.

Kinderbetreuer fordert BAG zum Handeln auf

In Zürich hat es erst kürzlich mehrere Fälle von Krätze in Kitas gegeben. Einmal eingefangen, ist sie schwer wieder loszuwerden. Zum einen ist die Erkrankung sehr ansteckend und kann sich schnell auf engem Raum ausbreiten. Zum anderen kann Krätze nicht nur über den direkten Hautkontakt, sondern auch über Kontakt mit Kleidern oder anderen Textilien übertragen werden. In einer Kita wurden laut Bericht des «Tages-Anzeiger» alle Stoffmöbel ausgetauscht, Erzieherinnen wickeln nur noch mit Handschuhen.

Der Kinderbetreuungsverband Kibesuisse habe deswegen die Krankheit schon länger auf dem Schirm, heisst es gegenüber 20 Minuten. Denn für sie sind die Krätzefälle nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein finanzielles Problem. Mediensprecher Maximiliano Wepfer sagt dazu: «In gewissen Fällen sind Schliesstage notwendig, um die Hygienestandards zu gewährleisten. Diese werden aber nicht von der Versicherung abgedeckt, weil die Krätze nicht meldepflichtig ist.» Den Kitas entgingen dadurch Einnahmen, ihre wirtschaftlich ohnehin angespannte Situation verschlechtere sich dadurch weiter.

Was ist eigentlich Krätze?

Krätze wird durch die Krätzmilbe verursacht. Die Milben graben sich in die oberste Hautschicht ein und legen dort Eier ab. Hauptsymptom ist intensiver Juckreiz, der nachts im Allgemeinen schlimmer wird. Auch die Gänge der Krätzemilben können auf der Hand sichtbar sein.

Es gibt verschiedene Mittel, um Krätze zu behandeln. In manchen Regionen Europas sind Krätzemittel allerdings in den letzten Jahren bereits knapp geworden. Auch das Versagen der Therapie kommt inzwischen häufiger vor. Zusätzlich ist das Wechseln aller Kleidung sowie Handtücher und Bettwäsche einmal täglich und Waschen bei mindestens 60 Grad dringend empfohlen.

Deswegen ist es auch in deren Interesse, dass Krätze – wie in Italien und Deutschland – zu einer meldepflichtigen Krankheit erhoben wird. Der Ausfall würde dann von der Versicherung gedeckt. Wepfer kritisiert in diesem Zusammenhang auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Es ist bezeichnend und beschämend, dass auf der Website des BAG überhaupt keine Informationen zu dieser Krankheit zu finden sind, die Krätze glänzt durch Abwesenheit.» Und weiter: «Deshalb verlangt Kibesuisse, dass das BAG mit der Erarbeitung der nationalen Richtlinie zur Krätze vorwärts macht.»

BAG sieht wenig Handlungsbedarf

Beim BAG heisst es auf Anfrage, dass es derzeit nationale Empfehlungen zur Diagnose und Behandlung von Krätze erarbeite. Diese sollen in den kommenden Wochen publiziert werden. Zu den Vorwürfen von Kibesuisse in Bezug auf die fehlende Meldepflicht sagt Mediensprecher Simon Ming: «Die Situation in der Schweiz ist nicht identisch mit der in Deutschland und damit auch nur bedingt vergleichbar.» Das BAG stellte auf seiner Website Informationen zu Krankheiten zur Verfügung, die im Fokus von dessen Arbeit lägen. Neben den Empfehlungen seien aber keine weiteren Schritte vorgesehen.

Was kommt dir bei Krätze in den Sinn?

Neben dem BAG sind es vor allem die Gesundheitsdirektionen der Kantone, die mit den Krätzefällen betraut sind. Anne Tschudin, Mediensprecherin des Kantons St. Gallen, schlägt beispielsweise vor, das Krätze-Medikament Ivermectin auf die Spezialitätenliste zu setzen. Derzeit werde es nämlich nicht von der Krankenkasse übernommen: «Das ist ein grosses Problem, da nicht nur die betroffenen Personen, sondern auch die Kontaktpersonen therapiert werden müssen und die Behandlung rasch hohe Kosten für die betroffenen Familien generiert.»

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