Jüdische Extremisten wollen Gazastreifen besiedeln

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Im Schatten des KriegesJüdische Extremisten wollen Gazastreifen besiedeln

Während die Situation im Gazastreifen verfahren ist und die Zweistaatenlösung in die Ferne rückt, formieren sich ultranationalistische Anhänger des rechten Flügels. Sie verfolgen jüdische Besiedlungspläne für den Gazastreifen.

Darum gehts

  • Die Lage im Gazastreifen scheint derzeit festgefahren.

  • Derweil formieren sich ultranationalistische Gruppen, die im Gazastreifen jüdische Siedlungen bauen wollen.

  • Unterstützung für dieses Vorhaben gibt es sogar aus Benjamin Netanyahus Regierung.

Israels Armee steht nun schon seit Wochen vor Rafah, international werden Verhandlungen zur Situation im Nahen Osten geführt und die UNO fordert einen Waffenstillstand. Die Lage im Nahen Osten scheint festgefahren. Ob eine Zweistaatenlösung je umgesetzt werden kann, scheint fraglich.

In Israel kristallisieren sich derweil Bewegungen heraus, die für den äusseren rechten Flügel der Regierung Sympathien hegen. Ultranationalistische Gruppierungen schmieden Pläne zur jüdischen Besiedlung des Gazastreifens – obwohl dies in der internationalen Gemeinschaft weitestgehend als völkerrechtswidrig erachtet wird.

Eine Vertreterin, die diese Pläne verfolgt, positioniert sich derzeit an der Spitze des Vorhabens: Daniella Weissman (78). Wer die «Grossmutter der Siedlungsbewegung» ist, was sie plant und wie sie ihr Vorhaben zu legitimieren versucht, liest du hier.

Erik Petry, Historiker mit Schwerpunkt Jüdische Geschichte an der Universität Basel, schätzt die Chancen dieser radikalen Pläne ein.

Woher der Aufwind für solche Ideen?

Extremistische Gruppierungen und ähnliche Pläne habe es immer mal wieder gegeben, erklärt Petry. «Es ist jedoch das erste Mal, dass so radikale Menschen auch in der Regierung sitzen – das wiederum verleiht den Siedlerparteien gerade Aufwind.» Durch die verstärkte Aufmerksamkeit erreichten deren Pläne, Meinungen und Haltungen eine grössere Öffentlichkeit. Und: Sehe man sich die Situation im Westjordanland an, seien die Siedlungen teils sehr attraktiv für junge Familien, weil sie günstiger seien.

«Man muss schon sehen, dass es sich nicht nur um vereinzelte Extremisten handelt, sondern dass sogar Regierungsmitglieder dieselben Ideen befürworten», sagt Petry. Aber: «Es handelt sich nur um einen minimalen Teil der israelischen Gesellschaft, der eine solch radikale Siedlungspolitik befürwortet. In Europa wird dieser Teil fälschlicherweise oft als Mehrheitsmeinung wahrgenommen.»

Unterstützung aus der Regierung

Finanzminister Bezalel Smotrich, der Minister für Kulturerbe Amihai Eliyahu oder auch Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir, der selbst Siedler ist, drückten bereits ihre bejahende Haltung für eine Besiedlung des Gazastreifens aus.

«Es ist Zeit, nach Hause zurückzukehren», sagte Ben-Gvir dazu etwa auf der Bühne einer ultranationalistischen Veranstaltung. Und Eliyahu fragte in einem Interview mit CNN: «Wieso ist es unmoralisch, Land von jemandem zu nehmen, der mich töten will? Wieso ist es unmoralisch, mein Land, in dem meine Vorfahren gelebt haben, zurückzunehmen?»

«Die Parteien, zu denen Ben-Gvir und die anderen Minister gehören, sind auf dem politischen Spektrum sehr weit rechts aussen – Politiker wie Ben-Gvir bilden den ganz radikalen Flügel», erklärt Petry. Dadurch, dass solche Parteien in Netanyahus Regierung vertreten seien, würden auch die Drähte zu extremistischen Siedlungsorganisationen entstehen.

Grossteil der Israelis spricht sich dagegen aus

«Ich bezweifle, dass solche Pläne wie die Besiedlung im Gazastreifen durch jüdische Siedler wirklich mehrheitsfähig wären», sagt Petry. Zudem könne das Vorhaben auch nicht im Interesse Israels liegen – abgesehen davon, dass man sich derzeit immer noch im Rahmen einer möglichen Zweistaatenlösung bewege.

«Wenn man wirklich eine Besiedlung des Gazastreifens vorhätte, dann wäre das jetzige militärische Vorhaben, zynisch gesprochen, völlig kontraproduktiv», sagt der Historiker. «Dann müsste man möglichst alles zerbomben und alle Menschen vertreiben oder töten wollen – aber genau das macht man eben nicht.»

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