Darum müssen Swiss-Kunden auf ihr Geld warten

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Ausgefallene FlügeDarum müssen Swiss-Kunden auf ihr Geld warten

Die Ticket-Rückerstattung für ausgefallene Flüge während der Krise stockt. Das verärgert Kunden und die Reisebranche. Die Swiss bittet um Geduld.

Darum gehts

  • Die Reisebranche und Passagiere warten auf die Ticket-Rückzahlung für stornierte Flüge.
  • Die Swiss wartet auf den Milliardenkredit des Bundes und muss sparsam mit ihren Finanzen umgehen, sagt der Experte.
  • Die Airline verspricht, sämtlichen Forderungen nachzukommen, und bittet um Entschuldigung für die Verzögerung.

Die Reisebranche und viele Passagiere sind sauer auf die Swiss. Sie warten seit langem auf die Rückerstattung für nicht erbrachte Flugleistungen in der Corona-Krise. Eine Leserin kommentiert bei 20 Minuten, dass sie seit März auf das Geld wartet, und findet es eine «Riesensauerei». «Das sind absolute Betrüger», sagt ein anderer Leser. Die Meldungen von verärgerten Kunden häufen sich.

Sara Stalder hat kein Verständnis dafür, dass die Kunden warten müssen: «Kunden haben das Recht, ihr Geld zurückzufordern und etwa einen Gutschein der Airline abzulehnen», sagt die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) zu 20 Minuten. «Die Airline hat sogar ein Rückforderungsschreiben von ihrer Website entfernt. So verhält sich kein kundenorientiertes Unternehmen», empört sich Stalder.

Die Kunden können trotzdem ihre Rückforderung bei der Swiss deponieren. Dazu biete der Konsumentenschutz auf seiner Website ein entsprechendes Formular, das rege genutzt werde. Stalder empfiehlt, hartnäckig zu bleiben, und schlägt auch eine Betreibung der Airline vor.

«Swiss muss sparsam mit Finanzen umgehen»

Vito Roberto appelliert an die Geduld der Gläubiger, ob Reisebranche, Passagiere oder Kreditoren wie Banken. «Die Swiss darf im Moment nichts zurückzahlen, weil sie gemäss Obligationenrecht dazu verpflichtet ist, ihre Liquidität bis zum Jahresende sicherzustellen», sagt der Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen zu 20 Minuten. Deshalb müsse die Airline haushälterisch mit ihren Finanzen umgehen. Ob die Fluggesellschaft tatsächlich in Gefahr läuft, wegen der Corona-Krise in Konkurs zu gehen, sei aber unklar, die liquiden Mittel seien ein Geschäftsgeheimnis.

Der Bund sprach der Swiss eine Milliardenhilfe zu. Doch die Hilfe wurde vom Parlament mit Bedingungen verknüpft. So muss die Swiss etwa Reiseveranstaltern und Reisebüros die bezahlten Gelder zurückzahlen, sobald sie die Hilfe bekommt, wie Konsumentenschützerin Stalder sagt. «Doch die Konsumenten sind vergessen gegangen.» Rechtsprofessor Roberto hat kein Verständnis für diese Praxis. «Wenn die Reiseveranstalter und -büros das Geld von der Swiss erhalten, könnte das Spiel von vorne beginnen: Die Reiseveranstalter und -büros fürchten um ihre Liquidität und behalten die Gelder von der Swiss zurück, statt sie an die Kunden weiterzugeben.»

Offene Forderungen von mehreren Hundert Millionen Franken

Die Reisebüros und -veranstalter wollen das Geld allerdings umgehend an die Kunden zurückzahlen, sobald sie es von der Swiss bekommen haben, wie es auf Anfrage beim Schweizer Reise-Verband (SRV) heisst. «Wir machen deshalb so viel Druck auf die Swiss und alle anderen Leistungsträger, damit wir unsere Kunden schnellstmöglich entschädigen können. Wenn wir dies nicht tun, würden wir unsere Kunden verlieren», versichert SRV-Geschäftsführer Walter Kunz. «Es sind Forderungen in der Höhe von mehreren Hundert Millionen offen, die Swiss und andere Airlines der Branche und damit dem Konsumenten vorenthalten und aktuell nicht zurückzahlen.»

Weil die Kredite des Bundes noch nicht geflossen sind, haben die Reiseveranstalter und -büros auch kaum Geld von der Swiss erhalten. Hotelplan-Chef Thomas Stirnimann hat am Montag in einem Interview mit den Zeitungen der CH-Media seinen Unmut über die Airline kundgetan. Die Reisebüros würden der Swiss zahlreiche Millionen von Kundengeldern vorschiessen. Aufgrund des Pauschalreisegesetzes seien die Reisebüros nämlich verpflichtet, «den Kunden das Geld bei Annullationen zurückzubezahlen». Aber von der Swiss käme praktisch nichts zurück. «Die Kundengelder hat sie abkassiert und dann in ihren Systemen die Rückerstattung einseitig blockiert», beklagte sich Stirnimann.

Swiss will Kapazitäten ausbauen

Swiss-Sprecher Marco Lipp sagt zu 20 Minuten, dass die Ansprüche auf eine Rückerstattung nicht infrage gestellt werden. Das Unternehmen tätige Auszahlungen an Kunden und Reiseveranstalter. «Aufgrund des hohen Volumens» würden die Zahlungen aber nicht in der üblichen Frist erfolgen. Reiseveranstalter und -büros sollen gemäss Auflage des Bundes bis Ende September sämtliche Forderungen erstattet bekommen. Die Swiss erhöhe deshalb fortlaufend ihre Kapazitäten, um eine schnellere Bearbeitung sämtlicher Anfragen auf Rückerstattung zu ermöglichen.

Der Firmensprecher verweist auf ein Interview des Swiss-Kommerzchefs Tamur Goudarzi Pour mit der Branchenzeitschrift «About Travel». Darin bittet er um Entschuldigung für die Verzögerungen und sagt, dass die Airline seit Jahresbeginn 300 Millionen Franken an Rückerstattungen für stornierte Flüge ausbezahlt habe. Das sei mehr als die Summe, die aktuell noch ausstehe. Die Fluggesellschaft habe sich ausserdem vergangene Woche mit Vertretern des Schweizer Reise-Verbands getroffen und Angebote gemacht, die in den nächsten Wochen weiter verhandelt werden sollen.

1900 Arbeitsplätze gefährdet

Swiss droht Stellenabbau trotz Milliardenhilfe

Die Swiss soll mit Notkrediten von rund 1,3 Milliarden Franken unterstützt werden. Dennoch droht ein Stellenabbau bei der Fluggesellschaft, wie die «SonntagsZeitung» Anfang Mai berichtete. Damit das Unternehmen einen staatlich garantierten Kredit erhielt, legte es einen Businessplan mit Sparmassnahmen vor.

Im Raum steht laut dem Bericht, die Kostenbasis um 15 bis 20 Prozent zu senken. Dafür seien Entlassungen unumgänglich. Insgesamt müssten demnach 1500 bis 1900 von 9500 Stellen gestrichen werden, um das Ziel zu erreichen. Die Swiss wollte sich auf Anfrage der Zeitung nicht weiter äussern. In einer Mitteilung schreibt das Unternehmen von «drastischen Sparmassnahmen».

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