Haris Tabakovic: Interview mit dem Schweizer Austria-Stürmer

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Haris Tabakovic«Ich hatte den Eindruck, mein Ruf in der Schweiz sei zerstört»

Schon 15 Tore hat Haris Tabakovic (28) in diesem Jahr für seinen Club Austria Wien erzielt. Im Interview spricht der Schweizer Stürmer über seinen tollen Lauf, die Nati und seine Vergangenheit in der Schweiz.

Darum gehts

  • Haris Tabakovic (28) ist der aktuell treffsicherste Schweizer Stürmer.

  • Alleine in diesem Jahr hat der Grenchner 15 Ligatreffer erzielt.

  • Im Interview spricht Tabakovic über Murat Yakin, ein mögliches Nati-Aufgebot von Bosnien und seine schwierige Zeit in der Super League. 

Haris Tabakovic, seit Februar haben Sie 15 Ligatreffer erzielt. Kein anderer Schweizer Profi kommt auf diesen Wert. Hat Murat Yakin endlich angerufen?

Nein, aber darüber mache ich mir auch keine Gedanken. Ich kann nur meine Leistung auf dem Platz bringen. Am Ende geht es ja nicht nur um mich, sondern auch darum, welche langfristigen Pläne ein Nationaltrainer hat. Es ist nicht so, dass ich zu Hause sitze und darauf warte, dass endlich das Telefon klingelt.

Aber womöglich kommt ja dafür bald ein Anruf aus Bosnien. Wäre die bosnische Nationalmannschaft eine Option für Sie?

Das wäre definitiv ein Thema. Es ist aber so, dass ich aktuell von keiner Seite etwas gehört habe.

Und wenn plötzlich von beiden Nationen ein Aufgebot kommt?

Dann würde ich auf mein Bauchgefühl hören. Aber so weit denke ich jetzt noch gar nicht.

Warum läuft es bei Ihnen in diesem Jahr plötzlich so gut?

Das hängt sicher auch mit dem Trainerwechsel Anfang Jahr zusammen, aber nicht nur. Meine Leistungen im letzten Jahr waren nicht immer nur gut. Nun hatte ich die Chance für einen Neustart und bin ich topfit, sowohl psychisch wie physisch. Meistens ist es doch so bei einem Stürmer: Wenn es läuft, dann läuft es. Dahinter steckt aber kein Zufall oder Glück, sondern harte Arbeit.

Besonders das Derby gegen Rapid scheint Ihnen zu liegen. In vier Direktduellen haben Sie sechsmal getroffen, beim 3:1 Mitte Mai sogar dreifach. Welchen Stellenwert hat das Duell zwischen Austria und Rapid in Wien?

Ich durfte ja auch schon Zürcher Derbys erleben, aber das hier ist noch einmal etwas komplett anderes. Es ist unglaublich, was teilweise in der Stadt los ist. Da sind sehr viele Emotionen im Spiel und teilweise leider auch ein gewisser Hass. Für uns ist es mit drei Siegen in vier Duellen in dieser Saison aber super gelaufen.

Sie haben einen ungewöhnlichen Karriereweg hinter sich. Mit 23 Jahren sind Sie von GC in die ungarische Liga zu Debrecen gewechselt. Warum?

Ich bin eineinhalb Jahre zuvor von YB zu GC gewechselt. Dort lief es mir aber nie so, wie ich mir das gewünscht habe. Ich habe nur selten Tore geschossen. Mit der Zeit hatte ich den Eindruck, mein Ruf in der Schweiz sei zerstört.

Sie meinen, dass Sie als ewiges Talent abgestempelt waren?

Genau. Ich muss raus aus der Schweiz und von Null anfangen. Mir war aber immer klar: Egal, wo du spielst, es kann immer sehr schnell wieder aufwärts gehen. Debrecen hat für mich nicht nur finanziell, sondern auch von den Bedingungen her gepasst. Der Club hat ein tolles Stadion und einen guten Trainingscampus. Als Fussballspieler, aber auch als Mensch bin ich in dieser Zeit sehr gereift.

Nach einer guten ersten Saison in Ungarn hat Sie eine schwere Knieverletzung fast ein Jahr ausser Gefecht gesetzt. Wie schwierig war diese Zeit für Sie?

Ich möchte diese Zeit nicht noch einmal aufrollen, damit habe ich abgeschlossen. Aber ja, nach einer solchen Verletzung ist es wichtig, das Vertrauen in den Körper zurückzugewinnen. Darum bin ich dann in die zweite österreichische Liga gewechselt, der vermutlich beste Schritt in meiner Karriere. Bei Austria Lustenau war alles eine Nummer kleiner. Ich konnte mich voll auf den Fussball fokussieren.

Im richtigen Moment auch mal einen Schritt zurück machen. Ist das etwas, wovon sich andere junge Fussballer gelegentlich ein Stück abschneiden könnten?

Ich bin als junger Spieler auch nicht der Geduldigste gewesen, muss ich gestehen. Damals wollte unbedingt von YB weg, weil ich der Meinung war, dass ich zu wenig spielen würde. Rückblickend würde ich das vielleicht anders machen. 

Vielleicht kommt es ja bald zu einer Rückkehr in die Schweiz? Ist das irgendwo im Hinterkopf?

Ehrlich gesagt: nein. Ich bin nun seit Jahren weg aus der Schweiz und fühle mich sehr wohl damit. Aber natürlich verfolge ich noch immer den Schweizer Fussball, vor allem natürlich meinen Heimatverein YB. 

Und ein Wechsel in eine Top-Liga? Mit Ihren Toren dürften Sie sich auf die Zettel zahlreicher Clubs geschossen haben.

Ich hatte früher in meiner Karriere sehr viele Pläne und vieles davon ist schiefgegangen. Warum soll ich mir jetzt schon über so etwas Gedanken machen? Ich habe hier noch einen Vertrag bis 2025 und fühle mich sehr wohl in Wien. Aktuell verschwende ich keine Zeit daran zu denken, was im Sommer ist. Wenn du zu viel über solche Sachen nachdenkst, hat das nur einen negativen Einfluss auf deine Leistungen.

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