Auch liberale Wähler wollen die Burka verbieten

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AbstimmungsumfrageAuch liberale Wähler wollen die Burka verbieten

Die Anti-Burka-Initiative stösst auch ausserhalb der SVP auf viel Zustimmung: 65 Prozent sagen derzeit Ja zum Verhüllungsverbot.

Darum gehts

  • Die Burka-Gegner haben weiterhin einen komfortablen Vorsprung.

  • Die Initiative stösst beim Freisinn auf viel Sympathie.

  • Eine freiheitliche Gesellschaft müsse eine Burka aber aushalten können, meint FDP-Vize Andrea Caroni.

Die Befürworter der Burka-Initiative sind weiterhin auf Kurs: Laut der jüngsten Abstimmungsumfrage von 20 Minuten und Tamedia mit über 14’000 Teilnehmenden sprechen sich 65 Prozent der Stimmberechtigten für ein Verhüllungsverbot aus, nur 34 Prozent wollen die Initiative ablehnen, die SVP-Kreise rund um Nationalrat Walter Wobmann lanciert haben. Damit kann das Ja-Lager seinen Vorsprung im Vergleich zur letzten Befragung vor gut zwei Wochen halten.

Stand heute fände das Volksbegehren auch in allen Landesteilen und in allen Altersgruppen eine Mehrheit. Neben einer überragenden Unterstützung seitens der SVP-Wählerschaft sagt vier Wochen vor der Abstimmung auch eine deutliche Mehrheit der FDP- und Mitte-Wählerschaft Ja zur Verbannung der Burka aus dem öffentlichen Raum. Gespalten ist die GLP, die bereits die Nein-Parole herausgegeben hat. Auch auf linker Seite will noch jede Dritte beziehungsweise jeder Dritte zustimmen – entgegen den offiziellen Positionen von SP und Grünen.

«Beim Freisinn ist noch viel zu holen»

Andrea Caroni, FDP-Vizepräsident und Co-Präsident des überparteilichen Nein-Komitees, beunruhigt die hohe Zustimmung der eigenen Wählerschaft nicht. Die Partei politisiere mit ihrer Nein-Parole nicht an der Basis vorbei. «Beim Freisinn ist noch viel zu holen. Mir gefällt die Burka auch nicht. In einem ersten Reflex neigt man zum Verbot. Dann muss der liberale Geist einen Schritt zurücktreten und sich fragen, ob wirklich der Staat Kleidervorschriften machen soll.»

Auch Punks zum Beispiel kleideten sich anders, um ihre Ablehnung des Systems zu signalisieren. Das müsse eine freiheitliche Gesellschaft aber aushalten können. «Sonst sind wir schnell bei einer Sittenpolizei». Hinzu komme, dass die Initiative die Ausnahmen vom Verhüllungsverbot viel zu eng definiere. «Ein Sport- oder auch das SVP-Maskottchen wären ebenso verboten wie die Kleidung vieler Strassenkünstler.»

Wobmann: «Verhüllung ist das Gegenteil von Freiheit»

SVP-Nationalrat Walter Wobmann, der Kopf der Initiative, sagt zur Unterstützung der liberalen Basis: «FDP und GLP müssen erst einmal erklären, wie ein liberaler Mensch für die Verhüllung sein kann. Diese ist ein Symbol einer unfreien Gesellschaftsordnung und damit das pure Gegenteil von Freiheit.»

Die Verhüllung sei ein typisches Thema, das die Grenzen zwischen den Parteien verschwimmen lasse. Das zeige auch die Umfrage, so Wobmann. «Leider sind einige Parteivertreter gegen die Initiative, weil sie von uns kommt. Es gibt es auch immer mehr SP-Vertreter, die mit dem Anliegen sympathisieren.» Wobmann nennt den Gewerkschaftsboss und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard als Beispiel. Am Schluss brauche man alle Stimmen, wenn man siegen wolle, egal ob sie von links oder rechts kämen.

«Für die Burka-Initiative sieht es derzeit sehr gut aus»

Politologe Thomas Milic von der Uni Zürich erklärt, wieso derzeit fast 40 Prozent der SP-Wählerinnen und -Wähler für ein Burka-Verbot sind.

Thomas Milic.

Thomas Milic.

Universität Zürich

Herr Milic, bislang gelingt es den Gegnern der Burka-Initiative nicht, aufzuholen. Warum?

Es ist ein vertrautes Thema, über das teils schon in den Kantonen abgestimmt wurde. Den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern sind die Pro- und Contra-Argumente bekannt. Anders als etwa bei einer komplexen AHV-Reform ist die Materie ziemlich einfach. Das führt dazu, dass die Meinungen ziemlich fix sind. Es gab es auch schon, dass solche Abstimmungen noch gekippt sind, aber für die Burka-Initiative sieht derzeit sehr gut aus.

70 Prozent der freisinnigen Wähler wollen zustimmen, obwohl die Partei die Initiative bekämpft. Politisiert die Partei an ihren Wählern vorbei?

Schon bei der Minarett-Initiative sind viele bürgerliche Wähler von der Parteiparole abgewichen. Damals fehlte wie jetzt beim Verhüllungsverbot das ökonomische Argument, für das FDP-Wählende empfänglich sind. Mit einem Burka-Verbot kann man quasi «gratis» ein Signal setzen. Das Risiko und die Auswirkungen eines Ja sind also viel kleiner als etwa bei der Initiative für die Kündigung der Personenfreizügigkeit.

Immerhin 38 Prozent der SP-Wählerschaft wollen ein Nein einlegen.

Die Linke ist bei dieser Frage stärker gespalten als die Rechte. Ein Teil der Linken ist generell religionskritisch und betrachtet die Burka als nicht vereinbar mit westlichen Werten. Deshalb ist wie schon bei der Abstimmung über das Minarett-Verbot mit einigen Ja-Stimmen von links zu rechnen.

Nein-Trend beim E-ID-Gesetz

Neben der Burka-Initiative kommen am 7. März zwei weitere Vorlagen vors Volk. Beim E-ID-Gesetz lässt die Umfrage auf einen Nein-Trend schliessen. So lehnen momentan 55 Prozent (1. Welle: 47 Prozent) der Stimmberechtigten die Vorlage ab. Am höchsten ist die Zustimmung noch bei den Wählern der Mitte und des Freisinns. Gross ist die Skepsis bei den Anhängerinnen und Anhängern von Grünen und SP, aber auch der SVP.

Das Handelsabkommen der EFTA-Staaten mit Indonesien schliesslich spaltet die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nach wie vor – keines der Lager konnte sich entscheidend absetzen.

Die Umfrage

14'204 Personen aus der ganzen Schweiz haben am 4. und 5. Februar an der 2. Welle der Umfrage von 20 Minuten und Tamedia im Vorfeld der eidgenössischen Abstimmungen vom 7. März 2021 teilgenommen. Die Umfrage wurde in Zusammenarbeit mit LeeWas durchgeführt. LeeWas modelliert die Umfragedaten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,3 Prozentpunkten.

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