Bald keine Nothilfe mehr für Auslandschweizer?

Aktualisiert

GesetzesrevisionBald keine Nothilfe mehr für Auslandschweizer?

Auslandschweizer könnten in einer Notsituation künftig ohne finanzielle Hilfe dastehen, warnt der Geschäftsführer des Solidaritätsfonds Soliswiss. Drei Auslandschweizer erzählen.

von
Romana Kayser
0
0
0
Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Patrick Winiger und seine Frau Jill lebten zusammen in den Philippinen, bevor der Schweizer auf offener Strasse von einer kommunistischen Terrororganisation erschossen wurde.

Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Patrick Winiger und seine Frau Jill lebten zusammen in den Philippinen, bevor der Schweizer auf offener Strasse von einer kommunistischen Terrororganisation erschossen wurde.

Krieg, Unruhen, Terrorismus, politische Zwangsmassnahmen: nicht selten sind Schweizer, die im Ausland wohnen, existenzbedrohenden Gefahren ausgesetzt. Tritt ein solcher Fall ein, bietet der Solidaritätsfonds Soliswiss Auslandschweizern finanzielle Soforthilfe an. Mit Entschädigungen von 10'000 bis zu 150'000 Franken soll Betroffenen ein Neustart ins Leben ermöglicht werden.

Davon profitierte zum Beispeil Sharon Nelly Alicod (47). Bis vor einem Jahr lebte sie im philippinischen Kidapawan, wo sie mit ihrem Bruder Patrick Winiger eine Plantage besass. Letztes Jahr aber wurde Winigerauf offener Strasse von einer kommunistischen Terrororganisation erschossen, gegen die er sich engagiert hatte. Nach dem tragischen Vorfall stand auch Alicods Leben auf dem Spiel. Aus Angst vor den Terroristen wagte sich die Familie nicht mehr aus dem Haus. «Wir waren Gefangene im eigenen Heim. Wir konnten nicht mal mehr rausgehen, um die Einkäufe zu erledigen.» Dank Unterstützungsgeldern konnte die Familie umziehen und an einem anderen Ort in den Philippinen einen Neustart wagen.

Auch die Schweizerin Luise Gaballa (80) und ihre Familie sind in Heliopolis seit Beginn der Ägyptischen Revolution in eine Notsituation geraten. Die politische Unruhen haben ihren Sohn Martin (47) in den finanziellen Ruin getrieben. Sein Tourismusunternehmen ging bankrott, sein Sohn Alex (14) konnte nicht mehr zur Schule gehen. Dank der Unterstützung konnte der Schulbesuch aber weiter finanziert werden.

Elisabeth S. (64) und ihr Mann dagegen konnten nicht in ihrer Wahlheimat Syrien bleiben. Als Leiterin eines humanitären Projektes standen sie und ihr Mann, ein Arzt in einem Spital der Opposition, auf der schwarzen Liste der syrischen Regierung. Sie seien in Syrien nicht mehr sicher gewesen, sagt S: «Ich war gezwungen, das Land zu verlassen und hatte keine Arbeit mehr.» Für die Hilfe während dieser Zeit ist S., die heute mit ihrem Mann im Libanon lebt, dankbar.

«Unterstützung in Katastrophenzeiten nicht mehr gewährleistet»

Jetzt aber ist die Unterstützung von in Not geratenen Auslandschweizern laut Soliswiss-Geschäftsführer Felix Bossert gefährdet. Nächsten Montag nämlich entscheidet der Ständerat über das neue Auslandschweizergesetz, das keine Ausfallgarantie des Bundes an Soliswiss mehr vorsieht. Bislang gewährte der Bund Soliswiss eine Ausfallgarantie in Form zinsloser Darlehen für finanzielle Engpässe, damit der Solidaritätsfonds seinen Mitgliedern in existenziellen Notlagen uneingeschränkt zur Seite stehen kann.

«Mit dem Wegfall der Ausfallgarantie findet ein einschneidender Leistungsabbau für Auslandschweizer statt», sagt Bossert. Die finanzielle Unterstützung von Auslandschweizern in Not wäre gerade in Katastrophenzeiten nicht mehr gewährleistet. Zudem würde die Glaubwürdigkeit von Soliswiss extrem leiden.

Bundesgarantie lange nicht beansprucht

Die Befürchtungen, dass das neue Auslandschweizergesetz zu einer Entsolidarisierung mit Auslandschweizern in Not führen könnte, hält Verena Diener (GLP) für unbegründet. «Auch nach dem neuen Gesetz ist die Solidarität mit und finanzielle Unterstützung für Auslandschweizer in Not gewährleistet, und zwar in möglichst unbürokratischer Form mit weniger Aufwand», sagt die Präsidentin der zuständigen Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK). «Wir sind der Auffassung, das der personelle und administrative Aufwand der Soliswiss in einem störenden Missverhältnis zu einer geringen Anzahl Fälle pro Jahr steht.»

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten geht ebenfalls davon aus, dass die Aufhebung der Bundesgarantie keine nennenswerte Auswirkungen haben dürfte, da diese von Soliswiss in den letzten 40 Jahren nie beansprucht wurde. Tatsächlich behandelt Soliswiss durchschnittlich nur sechs Fälle pro Jahr, ein zinsloses Darlehen vom Bund wurde das letzte Mal Anfang der 70er-Jahre beantragt.

Deine Meinung zählt

0
0
0