Zu viele Tote am Unispital – Missstände von Ex-Chirurg aufgezeigt

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ZürichEx-Leiter der Herzklinik spricht über Missstände am Unispital

Der ehemalige Leiter der Herzklinik des Unispitals Zürich wurde vor Gericht freigesprochen. Während des Prozesses berichtete er von den damaligen Missständen.

Darum gehts

  • Die Herzklinik am Unispital Zürich lag lange über der zu erwartenden Mortalität, auch im Vergleich mit einer anderen Uniklinik schnitt Zürich schlecht ab.

  • Zudem gab es vor zwei Jahren einen Skandal um unrechtmässige Arzthonorare, wobei Francesco Maisano, Leiter der Klinik für Herzchirurgie von 2015 bis 2019, im Mittelpunkt stand.

  • Nun spricht sein Nachfolger erstmals öffentlich über die Missstände in der Klinik während Maisanos Zeit.

Während Francesco Maisanos Zeit als Leiter der Klinik für Herzchirurgie zwischen 2015 und 2019 hatte es einige Missstände gegeben, deren Ausmass bis heute offenbar noch immer nicht ganz klar ist. 2021 hat das Zürcher Kantonsparlament eine Taskforce gebildet, um den Anstieg der Sterberate in der Herzchirurgie während dieser Zeit zu untersuchen.

2019 erhob ein leitender Arzt der Herzklinik schwere Vorwürfe gegen Maisano bei der Spitalleitung. Er warf ihm vor, Komplikationen verheimlicht, wissenschaftliche Publikationen geschönt und finanzielle Interessen verschwiegen zu haben. Das Unispital und die Universität veranlassten Untersuchungen, die verschiedene Vorwürfe bestätigten. Laut «Tages-Anzeiger» betonte das Unispital jedoch stets, dass keine Patienten gefährdet wurden.

Der Nachfolger musste aufräumen

Paul Vogt ist ein erfahrener Herzchirurg und übernahm im Sommer 2020 die Leitung der Herzklinik am Zürcher Universitätsspital – als Maisanos Nachfolger. Damals herrschte im Spital eine Feindseligkeit zwischen Unterstützern und Kritikern von Maisano. Vogt sollte für Ordnung sorgen.

Heute steht Vogt wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung vor Gericht. Er hätte in einem Operationsbericht falsche Informationen angegeben. Die Anklage kommt noch aus der Zeit, kurz nachdem Vogt die Leitung übernommen hatte. Die Staatsanwaltschaft wollte die Untersuchung mit einem Strafbefehl abschliessen, doch Vogt bestand auf einen Prozess.

«Von Beginn weg schlicht gelogen»

Paul Vogt liess die Gelegenheit nicht verstreichen und nutzte die Plattform, um nochmals die damaligen Missstände der Klinik anzuprangern. Vor allem richtete er das öffentliche Augenmerk auf die zu häufigen Todesfälle.

In den Wochen nach Arbeitsbeginn soll er auf seinem Pult Listen mit Todesfällen an der Klinik vorgefunden haben, die ihm ungewöhnlich vorkamen. Er war der Meinung, dass er die Pflicht habe, dies seinen Vorgesetzten zu melden.

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Deshalb hatte er eine ausführliche Mail an die Spitalleitung geschrieben. Im Gerichtssaal las er daraus vor. «Das Statement, ‹Patienten sind keine zu Schaden gekommen›, wie es das Unispital wiederholt geäussert hat, ist auf keine erdenkliche Art und Weise haltbar», schrieb er in der Mail. «Je länger man diese Behauptung im Raum stehen lässt, desto desaströser, wenn herauskommt, dass dieses Statement von Beginn weg schlicht gelogen war.»

Im Visier von Intriganten

Eine anonyme Gruppe, die sich «Honest Falcon» nennt, nahm den Leiter der Herzklinik daraufhin ins Visier. Sie hatte zuvor schon den Whistleblower, der Maisanos Machenschaften angeprangert hatte, mit Falschinformationen angeschwärzt. Im August 2020 reichten sie gegen Vogt eine Strafanzeige ein. Darin warfen sie ihm vor, nicht erreichbar gewesen zu sein, nachdem es zu Komplikationen gekommen sei, an welchen der Patient verstorben sei.

Nach aufwendigen Untersuchungen wurden sowohl der Whistleblower als auch Vogt entlastet. Dank ausgewerteten Telefondaten konnte bewiesen werden, dass Vogt mehrmals mit dem Personal im Operationssaal Kontakt hatte. Ein medizinisches Gutachten belegte ausserdem, dass kein Arzt dem Patienten hätte helfen können. Das Verfahren wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung wurde basierend auf diesen Fakten eingestellt. Ein Verfahren wegen Urkundenfälschung im Amt hielt die Staatsanwaltschaft jedoch aufrecht.

Aber auch da wurde der Professor schlussendlich freigesprochen. Die Richterin schloss mit der Aussage: «Wir gelangten relativ schnell und klar zur Auffassung, dass Sie vollumfänglich freizusprechen sind. Sie haben wohl unter sehr schwierigen Verhältnissen versucht, das Unispital, diese Herzklinik, wieder dorthin zu führen, wo sie eigentlich hingehört.» Es sei durchaus vorstellbar, dass die Situation einen «Intrigencharakter» gehabt haben könnte.

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