Myanmar: Rebellen erstarkt – Bürgerkrieg spitzt sich zu

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MyanmarBürgerkrieg an Thailands Grenze: Rebellen auf dem Vormarsch

Seit über drei Jahren befindet sich Myanmar im Ausnahmezustand. Während die blutigen Kämpfe zwischen der Militärregierung und den Rebellen anhalten, haben Letztere kürzlich in grossen Teilen des Landes die Kontrolle übernommen.

Darum gehts

  • Im Bürgerkrieg in Myanmar haben die Rebellen signifikante militärische Fortschritte erzielt und kontrollieren über die Hälfte des Landes.

  • Kürzlich nahmen sie eine strategisch wichtige Stadt an der Grenze Thailands ein.

  • Thailand reagierte mit der Stationierung seines Militärs am Grenzübergang.

  • Derweil zwangsrekrutiert die unterversorgte Militärregierung junge Angehörige der Rohingya.

Während sich Touristen an den Stränden von Thailand sonnen oder im Landesinneren auf Sightseeing-Touren gehen, finden einige Hundert Kilometer weiter im Westen verheerende Gefechte statt.

Im andauernden Bürgerkrieg in Myanmar haben die Rebellen kürzlich erhebliche militärische Erfolge gegen die Militärregierung (Junta) erzielt. Mittlerweile sollen sie über die Hälfte des Landes kontrollieren. Das Chaos im zersplitterten Land führt neben miserablen humanitären Bedingungen aber auch dazu, dass die Kriminalität floriert. Eine Übersicht:

Rebellen rücken vor – Militär gerät in Bedrängnis

Seit Oktober 2023 haben die Rebellen in weiten Teilen des Nordens, Westens und Ostens Myanmars die Kontrolle übernommen. Anfang April gelang es rebellischen Milizen, die Stadt Myawaddy am strategisch wichtigen Grenzübergang zu Thailand einzunehmen – ihr grösster Erfolg bisher.

Die grenznahen Kämpfe und flüchtenden Zivilisten führten zu zunehmender Nervosität in Thailand. Die Regierung hat deshalb ihr Militär am Grenzübergang stationiert. Weiter nördlich nähern sich die Rebellen der Hauptstadt Naypyidaw, die unter anderem als «Festung» der Junta bezeichnet wird. Ein Teil der Kämpfe wird bereits in unmittelbarer Nähe der verbunkerten Stadt ausgetragen.

Eine junge Rebellin der «Mandalay People's Defense Forces» putzt ihre Waffe. (Bild: Dezember 2023)

Eine junge Rebellin der «Mandalay People's Defense Forces» putzt ihre Waffe. (Bild: Dezember 2023)

AFP

Grund für die jüngsten Gebietsverluste der Junta: Zum einen gäben ihre Soldaten immer mehr Aussenposten auf. Zum anderen ist das Militär gemäss Beobachtern überlastet und unterversorgt. Seit Februar zwingt die Junta junge Angehörige der muslimischen Rohingya zur Wehrpflicht – jene Minderheit, an der sie noch vor einigen Jahren einen Völkermord begangen haben soll. Der Fall ist am Internationalen Gerichtshof in Den Haag hängig.

Wie kam es zum Bürgerkrieg in Myanmar?

Durch einen Militärputsch wurde 2021 die demokratisch gewählte Regierung abgesetzt und das Parlament aufgelöst. Landesweit kam es zu grossen zivilen Demonstrationen, die das Militär gewaltsam auflöste – darauf folgte der Ausbruch des Bürgerkriegs.

Ein Soldat der Militärregierung bewacht einen festgenommenen Demonstranten. (Bild: März 2021)

Ein Soldat der Militärregierung bewacht einen festgenommenen Demonstranten. (Bild: März 2021)

AFP

Das Ziel, das Militärregime zu stürzen, führte zu einem Zusammenschluss Hunderter pro-demokratischer Milizen und bewaffneter ethnischer Gruppen. Abgesetzte Politiker und Demokratiebefürworter flohen in die Gebiete der Rebellen und bildeten dort die «Regierung der Nationalen Einheit», eine Schattenregierung.

Humanitäre Situation gemäss UNO «katastrophal»

Seit 2021 sind mehr als 2,6 Millionen Menschen aus Myanmar geflüchtet, gemäss der UNO sind dieses Jahr rund 18 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mindestens 50’000 Personen sollen laut NGOs seit Ausbruch des Bürgerkriegs getötet worden sein, davon mindestens 8000 Zivilisten.

Organisierte Kriminalität und Drogen-Boom

Der Bürgerkrieg fördert die Gesetzlosigkeit – ausländische Verbrechernetzwerke nutzen das Land als Basis und exportieren von dort Drogen in die ganze Welt. Mittlerweile hat Myanmar Afghanistan an der Spitze der Opiumproduzenten abgelöst.

Arbeiterinnen und Arbeiter auf einem illegalen Mohnfeld. Mit kleinen Schnitten in die Schoten der Blumen setzen sie das Opiumharz frei. (Bild: Februar 2024)

Arbeiterinnen und Arbeiter auf einem illegalen Mohnfeld. Mit kleinen Schnitten in die Schoten der Blumen setzen sie das Opiumharz frei. (Bild: Februar 2024)

AFP

Wie finanzieren sich die Konfliktparteien und woher stammen ihre Waffen?

Militärregierung: Sie finanziert sich durch unterschiedliche Quellen, Gelder fliessen unter anderem durch Öl- und Gasprojekte. Ursprünglich gehörten Russland, China und Singapur zu ihren Hauptlieferanten für Waffen. Kürzlich hat Singapur auf Druck der UNO über 80 Prozent ihrer Lieferungen eingestellt.

Rebellen: Sie finanzieren sich mit unterschiedlichen Crowdfunding-Techniken und erhalten Gelder von reichen Auslands-Myanmaren. Hinzu kommen Profite aus der Herstellung von synthetischen Drogen wie Methamphetamin. Ihre Waffen produzieren die Milizen teils selbst, laut Berichten soll ihnen seit 2023 aber auch China Waffen geliefert haben. Dafür garantierten die Gruppierungen, dass sie chinesische Investitionen in Myanmar, wie eine Eisenbahnlinie und Pipelines, schützten.

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Könnten die Rebellen siegen?

Militäranalysten sprechen von einem möglichen Wendepunkt in Myanmar noch in diesem Jahr. Schaffen es die Rebellen ins Landesinnere, um in die Hauptstadt einzudringen, könnte das Militär gestürzt werden. Befürchtet wird jedoch, dass es danach nicht zu einer Machtverschiebung, sondern vielmehr zu einer Zerrüttung der Nation ohne zentrale Kontrolle führen könnte.

Mit Material von «New York Times», «The Guardian» und «Der Spiegel».

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